Umgang mit Kundenangst: Haben wir als Finanzexperten versagt?
Retirement Director Ben Rizzuto erläutert, wie sich Angst als nützliches Werkzeug erweisen kann, um herauszufinden, was für Kunden am wichtigsten ist.

8 Minuten Lesezeit
Zentrale Erkenntnisse:
- Eine aktuelle Studie von Janus Henderson hat ergeben, dass die Zusammenarbeit mit einem Finanzexperten zwar dazu beitragen kann, das Anlagevertrauen von Kunden zu stärken, sie aber scheinbar keine unmittelbaren positiven Auswirkungen auf deren Ängste hat.
- Auch wenn wir unseren Kunden vielleicht nicht helfen können, sich weniger ängstlich zu fühlen, ist es entscheidend, ihre Sorgen zu verstehen. Denn nur so können wir einen Finanzplan erstellen, der diesen Besorgnissen genau Rechnung trägt.
- Hierfür stellt unser MINDSPACE-Rahmenwerk Finanzexperten eine Reihe von Werkzeugen zur Verfügung, um durch die Definition klarer Erwartungen und die Festlegung der nächsten Schritte mit Kunden besser kommunizieren zu können.
Kürzlich habe ich auf einer Branchenkonferenz hier in Denver drei Studien vorgestellt, die wir bei Janus Henderson in den letzten Jahren erstellt haben. Eines der Papiere befasst sich mit der Idee des Vertrauens und der Angst von Anlegern und geht dabei der Frage nach, ob die Zusammenarbeit mit einem Finanzexperten das Angstniveau senkt und gleichzeitig das Anlagevertrauen stärkt.
Diese Hypothese entspringt einer Reihe anderer Studien. So zeigt zum einen die Theorie der sozialen Unterstützung, dass die sozialen Beziehungen eines Menschen Stress reduzieren und zur Erreichung seiner Ziele beitragen können. Da der persönliche professionelle Finanzberater sicherlich als wichtiger Bestandteil des sozialen Netzwerks angesehen wird – vor allem wenn es um Finanzangelegenheiten geht –, würden wir vermuten, dass diese Beziehung Ängste abzubauen hilft.
Zum anderen legen Studien wie Advisor’s Alpha® von Vanguard nahe, dass Finanzberater, die bestimmte beziehungsorientierte Leistungen anbieten, potenziell etwa 300 Basispunkte (Bp) an zusätzlichem Alpha – d. h. an zusätzlicher Nettorendite – für Kunden generieren können. Diese 300 Bp verteilen sich wie folgt:
Angebotene Leistung | Typischer Mehrwert für den Kunden (Bp)1 | |
Passende Asset-Allokation | > 0 Bp* | |
Kosteneffiziente Umsetzung | 34 Bp | |
Rebalancing | 26 Bp | |
Steuerfreibeträge und steuereffiziente Vermögensanlage | 0 bis 75 Bp | |
Ausgabenstrategie (Reihenfolge der Auflösung einzelner Positionen) | 0 bis 110 Bp | |
Total Return oder einkommensorientiertes Investieren | > 0 Bp* | |
Verhaltens-Coaching | 150 Bp | |
Potenzieller Wertzuwachs insgesamt | Rund 3% Nettorendite |
Quelle: „Putting a value on your value: Quantifying Advisor's Alpha“. Vanguard, August 2022. Die tatsächliche Höhe des Wertzuwachses kann je nach Kundensituation und Zeithorizont erheblich variieren. *Der Wert ist signifikant, lässt sich jedoch aufgrund der individuellen Umstände jedes einzelnen Kunden nicht quantifizieren. Ein Basispunkt (Bp) entspricht einem Hundertstel Prozent. 1 Bp = 0,01%, 100 Bp = 1%. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit lässt nicht auf künftige Erträge schließen.
Interessanterweise wird laut den Untersuchungen von Vanguard der Großteil des potenziellen Alphas oder Wertzuwachses durch Verhaltens-Coaching generiert. Dies kann zu einem potenziellen Alpha von 150 Bp und, wie wir hoffen, auch zu weniger Angst führen.
Die eigenen Untersuchungen von Janus Henderson haben jedoch ergeben, dass die Zusammenarbeit mit einem Finanzexperten zwar dazu beitragen kann, das Anlagevertrauen von Kunden zu stärken, sie aber scheinbar keine unmittelbaren positiven Auswirkungen auf deren Ängste hat.
Ich vermute, dass diese Erkenntnis die meisten Branchenexperten überraschen wird. Vor der Präsentation unserer Forschungsergebnisse auf der Konferenz führte ich eine informelle Umfrage unter den Zuhörern durch und stellte fest, dass weit mehr als die Hälfte der Meinung war, dass die Zusammenarbeit mit einem Berater dazu beiträgt, die Ängste der Kunden zu verringern.
Die Ergebnisse unserer Studie haben mich selbst auch überrascht. Sie beunruhigten mich sogar so sehr, dass ich mich fragen musste, ob wir in unserer Rolle als Finanzexperten nicht vielleicht versagt haben. Denn wenn wir unseren Kunden nicht helfen können, sich weniger ängstlich zu fühlen, welchen Wert steuern wir dann bei? Diese Frage hat noch mehr an Bedeutung gewonnen, da wir weiterhin mit einer beängstigenden Marktvolatilität, wachsenden Rezessionsängsten und einer Inflation konfrontiert sind, die die Kaufkraft der Anleger rapide sinken lässt und ihr Erspartes aufzehrt.
Bevor wir diese Frage zu beantworten versuchen, sollten wir meines Erachtens klären, was Angst eigentlich ist. Die American Psychological Association (APA) definiert diese wie folgt:
„Angst ist eine Emotion, die durch Gefühle von Anspannung und Besorgtheit sowie durch körperliche Veränderungen wie erhöhten Blutdruck gekennzeichnet ist. Menschen mit Angststörungen haben in der Regel wiederkehrende quälende Gedanken oder Sorgen. Sie vermeiden bestimmte Situationen aus Angst. Sie können auch unter körperlichen Symptomen wie Schwitzen, Zittern, Schwindel oder Herzrasen leiden.“ 1
Die Begriffe Furcht und Angst werden bisweilen synonym gebraucht. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied, wie dieser Aussage aus der Definition der APA zu entnehmen ist:
„Angst wird als zukunftsorientierte, lang anhaltende Reaktion betrachtet ... , wohingegen Furcht eine angemessene, gegenwartsorientierte und kurze Reaktion auf eine deutlich sichtbare und spezifische Bedrohung ist.“ 2 (Betonungen von mir)
Einfach ausgedrückt: Angst ist ein tiefes Gefühl von Besorgnis über eine ungewisse Zukunft. Und obwohl dieses Gefühl kaum als angenehm zu bezeichnen ist, hilft es doch herauszufinden, was für uns wichtig ist. Aus diesem Grund sollten Berater Angst als Emotion betrachten, die man nicht bekämpft, sondern man arbeitet mit ihr.
Mit anderen Worten: Wir können vielleicht nicht die inneren Alarmglocken abstellen, die bei vielen unserer Kunden schrillen, aber ich behaupte, dass wir das auch nicht unbedingt tun wollen. Denn wenn wir nicht verstehen, worüber sich unsere Kunden Sorgen machen, können wir auch nicht wissen, was ihnen wichtig ist. Das bedeutet, dass wir nicht in der Lage sein werden, einen Finanzplan zu erstellen, der diese Sorgen oder Ziele berücksichtigt.
Wie können wir Ihnen helfen?
Kurz zur Erinnerung: Es konnten zwar keine kausalen Beziehungen zwischen dem Einsatz eines Finanzberaters und einer verminderten Angst aufgedeckt werden, doch haben unsere Untersuchungen sehr wohl gezeigt, dass Kunden, die mit Finanzexperten zusammenarbeiten, ein größeres Anlagevertrauen besitzen. (Im Sinne unserer Studie bedeutet dies, dass sie ihrer Fähigkeit vertrauen, die gesteckten Finanzziele zu erreichen.) Und die Wirkung ist eindrucksvoll: Laut unserer Studie sind Menschen mit einem Finanzexperten an ihrer Seite doppelt so zuversichtlich wie jene ohne Berater.


Während wir also vielleicht nicht in der Lage sind, unsere Kunden in turbulenten Marktphasen vor schlaflosen Nächten zu bewahren, gibt es durchaus Dinge, die wir tun können, damit sie mehr Vertrauen haben und ihre Ziele im Blick behalten. Hier einige Ideen dazu:
Verwendung von Zielkarten
Ziele zu formulieren und ihren Fortschritt zu verfolgen, kann schon helfen, das Anlegervertrauen zu stärken. Der Zielfindungsprozess kann sich jedoch für Kunden schwieriger gestalten, als wir denken: Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen unter Umständen auf mentale „Abkürzungen” angewiesen sind, um bei der Entscheidung über die Frage, welche Ziele sie erreichen wollen, kognitive und emotionale Verzerrungen überwinden zu können. Daher kann es hilfreich sein, Kunden eine visuelle Übersicht über spezifische Ziele an die Hand zu geben. Zum einen lassen sich so vielleicht diese systematischen fehlerhaften Neigungen minimieren, und zum anderen kann entscheidend dazu beigetragen werden, dass Kunden klar formulieren, was sie zu erreichen hoffen, und daran dann auch festhalten. 3
Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen
Zeiten der Veränderung sind von Haus aus angstbehaftet. Allerdings bieten sie Finanzexperten auch die Möglichkeit, Kunden durch diese schwierige Phase zu begleiten. Dabei jeweils individuell die richtigen Worte für einen Kunden zu finden, kann diesen in die Lage versetzen, den Fokus in einer Art Zeitreise weg von der emotional aufgeladenen Gegenwart hin zu einem zukünftigen Zustand zu verlagern, der zielorientiert und beruhigend ist.
Hierfür stellt unser MINDSPACE-Rahmenwerk Finanzexperten eine Reihe von Werkzeugen zur Verfügung, um durch die Definition klarer Erwartungen und die Festlegung der nächsten Schritte mit Kunden besser kommunizieren zu können. Jeder Buchstabe beschreibt hier einen anderen Einfluss auf unser Verhalten:
M – Messenger (Bote)
I – Incentives (Anreize)
N – Norms (Normen)
D – Defaults (Vorgaben)
S – Salience (Salienz)
P – Priming (Grundierung)
A – Affect (Affekt)
C – Commitments (Verpflichtungen)
E – Ego
Wenn es zum Beispiel um Marktvolatilität geht, könnten wir mit dem Kunden die beiden Einflussfaktoren „M“ und „N“ angehen und dabei die folgenden Argumente nutzen:
Bote: Wir werden stark davon beeinflusst, wer uns Informationen kommuniziert.
Argument: „Wir haben Kunden schon in der Vergangenheit durch schwierige Marktphasen geführt, wie etwa Anfang der 2000er-Jahre beim Platzen der Dotcom-Blase, während der globalen Finanzkrise von 2008 und beim Corona-bedingten Börsencrash im Jahr 2020. Solche Ereignisse sind für Anleger schwierig, aber wir haben viel aus diesen früheren Erfahrungen gelernt.“
Normen: Wir werden stark davon beeinflusst, was andere tun.
Argument: „Obwohl jede individuelle Situation anders ist, gehen die meisten unserer Kunden ihren Weg konsequent weiter.“ [Gegebenenfalls anonyme Beispiele anführen.]
Förderung von Zusammenarbeit
Schließlich kann das Vertrauen auch noch gestärkt werden, wenn Paare in finanziellen Angelegenheiten besser zusammenarbeiten. Viele Paare gehen bei finanziellen Entscheidungen nach dem Prinzip „Teile und Herrsche“ vor – oft aufgrund einer wahrgenommenen Kompetenz oder weil ein Partner über mehr Zeit verfügt, um sich um solche Angelegenheiten zu kümmern. Dieser Ansatz verbessert jedoch nicht das allgemeine Finanzverständnis eines Paares und kann sogar dazu führen, dass ein Partner nicht in der Lage ist, bei Bedarf die Verantwortung für die Haushaltsfinanzen zu übernehmen. Unsere Ergebnisse zeigten außerdem, dass das Vertrauen bei Personen in Haushalten mit nur einem Entscheider insgesamt geringer ist als bei jenen, die sich Entscheidungen gleichberechtigt mit ihrem Partner teilen.4
Vereinfacht ausgedrückt, sind Paare, die finanzielle Entscheidungen gemeinsam treffen, tendenziell zuversichtlicher als Paare, bei denen Entscheidungen über Finanzangelegenheiten an einen Ehegatten/Partner delegiert werden.
Manche würden sagen, dass es zur Arbeit eines Beraters gehört, den Kunden die Angst zu nehmen – und vielleicht haben Berater dies in der Vergangenheit auch tatsächlich als Teil ihres Leistungsversprechens verstanden. Aber in Wahrheit können wir weder die Zukunft kontrollieren noch Kunden davon abhalten, Angst vor der Zukunft zu haben.
Wenn wir jedoch darüber nachdenken, was Angst wirklich ist, sollten Berater sie als eines der besten Werkzeuge begreifen, die ihnen zur Verfügung stehen. Entscheidend dabei ist, wie man dieses Werkzeug wirksam einsetzt. Hat man es mit ängstlichen Kunden zu tun, ist es wichtig, ihnen als vertrauenswürdiger Freund entgegenzutreten und herauszufinden, was sie empfinden und warum. Wenn Sie als Berater diese Gedanken und Gefühle richtig verstehen, können Sie die Ziele Ihrer Kunden stärken, diese Ziele besser planen und den Kunden mehr Vertrauen geben, ihre Ziele zu erreichen.
Bei Interesse lassen wir Ihnen gerne unseren MINDSPACE-Flyer zukommen. Wenden Sie sich dazu bitte an Ihren Kontakt bei Janus Henderson.
2 Ebd.
3 Sin, Ray, Murphy, Ryan O. und Lamas, Samantha. „Goals-Based Financial Planning: How Simple Lists Can Overcome Cognitive Blind Spots”. Journal of Financial Planning, 2019.
4 Sommer, M., Lim, H. und MacDonald, M. (2020). „An investigation of the relationship between advisor engagement and investor anxiety and confidence”. Journal of Personal Finance, 19(2), 1-15.
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