Luke Newman: 2020 war für die Finanzmärkte ein Jahr von grundlegender Bedeutung. Wenn wir einen Blick zurückwerfen, während wir uns dem Jahresende nähern, lassen sich aus unserer Sicht im Hinblick auf Absolute Return-Investments drei Phasen unterscheiden.
In der Anfangsphase während des ersten Quartals stand für uns alles im Zeichen des Kapitalerhalts. Wenn ich an unsere Erfahrungen aus 15 Jahren Management der Strategien zurückdenke, lieferte uns die Entwicklung der SARS- und H1N1-Pandemien hervorragende Einblicke in die Ausgestaltung von Lockdowns in China und anderen Ländern Asiens. Indem wir das auf Kontinentaleuropa, Großbritannien und die USA übertrugen, zeichneten sich für uns sehr ähnliche Muster ab, was das Herunterfahren der Wirtschaft und die schwierigen zu treffenden politischen Entscheidungen angeht.
Auf dieser Grundlage sahen wir uns imstande, einige drastische Entscheidungen im Rahmen der Strategie zu treffen. Dazu gehörte die Bereinigung von Long-Positionen in Wirtschaftszweigen wie Gastronomie, Reisen und Hotellerie und anschließend der Aufbau von Short-Positionen in Bereichen, die von der Disruption und den ausgeprägten Kursrückgängen profitieren konnten, die in der damaligen Phase zu beobachten waren.
Als wir in die zweite Phase eintraten, die von Ende März bis Beginn des Sommers reichte, trat das tatsächliche Ausmaß der Krise in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zutage. Uns erinnerte diese Phase in Bezug auf die Finanzmärkte an die globale Finanzkrise 2008 und 2009. Das galt insbesondere im Hinblick auf die Bedienung der hohen Verschuldung, die entstanden war.
Zu beobachten war die Neuaufnahme von Schulden in enormen Umfang und auch an den Aktienmärkten kam es zu umfangreichen Bezugsrechtsemissionen und Platzierungen angesichts der Finanzierungslücken infolge der wirtschaftlichen Lockdown-Maßnahmen. Für unsere Strategie gingen damit neben Risiken auch beträchtliche Chancen einher. Insbesondere bei unseren taktischen Engagements konnten wir zunächst Short-Positionen in Unternehmen und Branchen eingehen, bei denen der finanzielle Druck am größten war. Anschließend konnten wir auf der Long-Seite von der Aufhellung der Anlegerstimmung profitieren, als die Bilanzen wieder konsolidiert wurden und sich die Unternehmen auf die neuen Herausforderungen einstellten.
In den letzten Wochen und Monaten haben wir uns aus unserer Sicht in eine dritte Phase des laufenden Jahres hineinbewegt. Dabei geht es um die Positionierung für eine mögliche Aufhebung der Beschränkungen und darüber hinaus. Es mag merkwürdig klingen, darüber zu sprechen, während um uns herum noch enorme Probleme im Hinblick auf das Coronavirus bestehen und in vielen Fällen lokale oder länderweite Lockdowns und Restriktionen vorgenommen werden. Doch letztlich wird an den Finanzmärkten die Zukunft vorweggenommen.
So erwarten wir auf Sicht von zwölf Monaten eine nachhaltige und stabile Erholung in einigen der Geschäftsfelder, die sich nach den Lockdowns am ehesten in einer starken Wettbewerbssituation befinden. Dabei geht es nicht darum, sich einfach an bestimmten Märkten oder in einzelnen Segmenten zu engagieren. Vielmehr müssen wir die Unternehmen identifizieren, die über solide Bilanzen verfügen, entweder weil sie sich bereits zuvor in einer starken Position befanden oder in den letzten Monaten Kapital beschafft haben. Das sind Unternehmen, die voraussichtlich eine bessere Wettbewerbssituation aufweisen, weil sie Marktanteile von ihren Konkurrenten gewonnen haben. Oder es sind Unternehmen, die entweder von verstärkter Nachfrage während der Lockdowns profitiert haben – zum Beispiel Technologiefirmen, die sich sehr gut entwickelt haben. In Betracht kommen auch Wirtschaftsbereiche, die weniger populär erscheint, wie zum Beispiel der Papier- und Verpackungssektor sowie die Autoindustrie. Aus unserer Sicht erscheint die finanzielle Charakteristik solcher Unternehmen mit näherrückendem Jahreswechsel besser als vielleicht noch vor der Coronavirus-Krise.
Nachdem unsere Strategien mehrere Jahre lang eher auf Wachstumsunternehmen ausgerichtet war, besteht nun eine ausgeprägtere Balance zwischen reinen Wachstumsbereichen und Value-Segmenten. Damit sind wir für eine künftige Konjunkturerholung positioniert und gleichzeitig noch vorsichtig ausgerichtet.
Leider wird die weitere Entwicklung sich nicht in gerade Linie vollziehen – weder für Anleger noch für jeden Einzelnen von uns. Doch sehen wir durchaus Chancen und es ist wichtig, die Ruhe zu bewahren, Reserven vorzuhalten, um diese Chancen im Rahmen der Strategien zu nutzen und sich nicht nur auf die Sicherung der kurzfristigen Wertentwicklung zu fokussieren. Wir müssen sicherstellen, dass wir über die nötigen Bausteine verfügen, um in den nächsten Jahren stetige positive absolute Erträge bei geringer Volatilität und niedriger Korrelation mit den jeweiligen Aktienmärkten zu erzielen.