Portfoliomanager Jonathan Coleman erläutert, wie Anleger mit den Risiken umgehen können, die im aktuell volatilen Umfeld Einfluss auf Wachstumsunternehmen mit niedriger Marktkapitalisierung auswirken.
Zentrale Erkenntnisse
- Ganz ähnlich wie bei anderen Anlageklassen sind durch das volatile Umfeld Risiken entstanden, die sich auf niedrig kapitalisierte Wachstumsaktien auswirken.
- Insbesondere die Inflation ist eines der Hauptrisiken, die durch eine Vielzahl von Unsicherheiten und Unwägbarkeiten in der Wirtschaft verursacht werden. Einfluss darauf haben unter anderem das Arbeitskräfteangebot, die Löhne, ein Mangel an Input-Materialien, Veränderungen der Geldpolitik sowie der Krieg zwischen Russland und der Ukraine.
- Vor dem Hintergrund der erhöhten Volatilität konnten wir in diesem Jahr spürbare Neubewertungen beobachten – was Anlegern, die interessante Wachstumstitel mit vertretbaren Bewertungen suchen, potenzielle Chancen eröffnet.
Aktien sind noch tiefer in den Korrekturbereich gesackt, weil Inflationssorgen, die restriktivere Politik der US-Notenbank (Fed) und der Krieg zwischen Russland und der Ukraine die allgemein positiven Gewinne, den lebhaften Arbeitsmarkt und die bessere Gesundheitslage rund um Covid-19 überschattet haben. Durch den Kurswechsel der Fed steigen die Zinssätze zügig, weshalb die Anleger die hohen Bewertungen neu beurteilen, vor allem jene von wachstumsstarken, häufig verlustträchtigen Aktien, die sich in den letzten beiden Jahren im Bereich der niedrig kapitalisierten Titel („Small Caps“) die meiste Zeit überdurchschnittlich entwickelten. Weil diese Faktoren zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen können, sind die Bewertungen im Russell 2000® Growth Index in diesem Jahr markant gesunken.
Russell 2000® Growth Index Kurs-Umsatz-Verhältnis

Nachdem sie den Leitzins im März um 25 Basispunkte (Bp) angehoben hatte, entschloss sich die Fed bei ihrer Sitzung im Mai zu einem aggressiveren Schritt und erhöhte die Zinsen erstmals seit dem Jahr 2000 um 50 Bp. Wir werten dies als Bestätigung, dass die politischen Entscheider nach eigener Einschätzung im Kampf gegen die strukturelle Inflation etwas hinterherhinken. Die Fed hat signalisiert, dass sie in den nächsten Monaten bei Bedarf weiter aggressiv vorgehen werde. Ob sie diesen Kurs wirklich weiterverfolgt, falls die Konjunktur infolge des weltweiten Drucks und der Rücknahme von Impulsen allmählich nachlässt, wird sich zeigen müssen. Tatsächlich sehen wir ein klares Risiko einer Stagflation, also eines Umfelds, das von Inflation ohne reales Wirtschaftswachstum gekennzeichnet ist.
Inflationsdruck von vielen Seiten
Neben der immensen Menge an Liquidität, die mit den geld- und fiskalpolitischen Impulsen während der Covid-19-Pandemie in den Markt gepumpt wurde, treiben noch weitere Faktoren die Inflation höher. Die Beschäftigung steigt zwar weiter, doch ein Mangel an Fachkräften belastet die Unternehmen. Die neuesten Daten des US-Arbeitsministeriums zeigten, dass sowohl die Zahl der offenen Stellen als auch die Zahl der Kündigungen durch Arbeitnehmer im März die höchsten Stände aller Zeiten erreichten. Die beachtliche Differenz zwischen der Zahl der Arbeitsuchenden und der Zahl der offenen Stellen hat die Löhne in die Höhe getrieben. Steigende Löhne können zwar im Allgemeinen positiv für die Wirtschaft sein, weil die Verbraucher mehr Geld ausgeben können. Doch sie können auch zu höheren Preisen führen, wenn Unternehmen versuchen, gestiegene Arbeitskosten auszugleichen.
Zugleich sorgen die soliden Bilanzen der privaten Haushalte und der Unternehmen für eine beständig starke Nachfrage, während die hartnäckigen Lieferkettenprobleme insgesamt ein niedriges Angebot zur Folge haben. Zum Beispiel beklagten die Unternehmen wiederholt, dass sich die Lieferengpässe bei wichtigen Komponenten wie Halbleitern länger hinziehen als erwartet. Die anhaltenden Covid-19-Lockdowns in China, die sich auf die Industrie auswirken, verschärfen die Lage zusätzlich und führen kurzfristig zu Unsicherheit und Kostendruck. Gleichzeitig hat der durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine verursachte steile Anstieg der Rohstoffpreise Bedenken geweckt, dass Lieferunterbrechungen bei Input-Materialien und die Sanktionen gegen Russland das Wirtschaftswachstum dämpfen könnten.
Anlegen trotz der Risiken
Diese Inflationsrisiken untermauern unsere Präferenz für Unternehmen mit etablierten, gefestigten Beziehungen zu Lieferanten und einer starken Wettbewerbsstellung, die es ihnen ermöglichen könnte, höhere Input-Kosten einfach abzuwälzen, um die aktuellen Gewinnmargen zu schützen. Bislang konnten die Unternehmen die Kostensteigerungen für Arbeitskräfte und Rohmaterialien aufgrund der starken Nachfrage und des knappen Angebots im Großen und Ganzen an die Verbraucher weiterreichen. Doch wenn die Erwerbsquote wieder steigt und sich die Lage in den Lieferketten bessert, wodurch die Kosten wieder sinken, wird es wichtig sein, die Rentabilität der Unternehmen genau zu beobachten und zu beurteilen, ob und wie die Unternehmen mit dem neuen Preisumfeld zurechtkommen.
Für die nächste Zeit halten wir eine anhaltende Volatilität für möglich, wenn die Anleger versuchen, die künftige Politik der Fed, den Krieg zwischen der Ukraine und Russland sowie andere Faktoren zu beurteilen, die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, die Lieferketten und die Inflation haben. Was die nahe Zukunft bringt, ist ungewiss. Unseres Erachtens wären Anleger aber gut beraten, den Fokus auf Faktoren zu legen, die für das langfristige Wachstum nachweislich überaus wichtig sind. Differenzierte, gut geführte und angemessen bewertete Wachstumsunternehmen mit einer guten Historie in Sachen Innovation und Rentabilität können mit der kurzfristigen Unsicherheit an den Märkten möglicherweise besser umgehen und profitieren zugleich von langfristigen Trends. Wir sind davon überzeugt, dass die deutliche Neubewertung in diesem Jahr potenzielle Chancen bei diesen attraktiven Wachstumsunternehmen bei vertretbaren Bewertungen bieten.
Geldpolitik: Die Politik einer Zentralbank, die darauf abzielt, die Inflation und das Wachstum in einer Volkswirtschaft zu beeinflussen. Hierzu zählt die Steuerung der Zinssätze und der Geldmenge.
Kurs-Umsatz-Verhältnis: Das Kurs-Umsatz-Verhältnis ist eine Bewertungskennzahl, die den Aktienkurs eines Unternehmens mit seinem Umsatz vergleicht. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis ist eine Kennzahl für den Wert, der jedem US-Dollar, Euro etc. des Umsatzes eines Unternehmens beigemessen wird.
Ein Basispunkt (Bp) entspricht 1/100 eines Prozentpunktes. 1 Bp = 0,01 %, 100 Bp = 1 %.
Niedriger kapitalisierte Wertpapiere sind unter Umständen weniger stabil, anfälliger für negative Entwicklungen, volatiler und weniger liquide als Wertpapiere mit einer höheren Kapitalisierung.
Wachstumsaktien sind mit einem höheren Risiko von Verlusten oder Kursschwankungen verbunden und können ihr wahrgenommenes Wachstumspotenzial möglicherweise nicht realisieren.
Die Volatilität misst das Risiko anhand der Streuung der Renditen für eine bestimmte Anlage.
Der Russell 2000® Growth Index bildet die Performance von US-Aktien mit niedriger Kapitalisierung („Small Caps“), höheren Kurs-Buchwert-Verhältnissen und einem höheren prognostizierten Wachstum ab.