Michael McNurney: Hallo, willkommen zur Janus Henderson-Serie zur COVID-19-Krise. Mein Name ist Michael McNurney, und heute sind Dr. Dan Lyons und Dr. Augustin Mohedas bei mir. Zum ersten Mal seit sehr Langem gibt es ausgezeichnete Nachrichten. Die Entwicklungen bei der Suche nach einem Impfstoff sind sehr hoffnungsvoll. Dan, können Sie uns den aktuellen Stand bei der Entwicklung eines Vakzins erläutern?
Daniel Lyons: Diese Woche legten Pfizer und BioNTech vielversprechende Daten für ihr COVID-Impfstoffprogramm vor. Sie meldeten eine beachtliche Wirksamkeit des Impfstoffs, der zu einem Rückgang der symptomatischen COVID-Infektionsrate um 90% führt. Diese Resultate stammen aus einer bisher etwa 44.000 Teilnehmer umfassenden Studie, in der bis dato etwa 94 Infektionsfälle auftraten. Wir freuen uns sehr, dass sich damit bestätigt, dass ein COVID-Impfstoff in greifbarer Nähe ist. Denn wie rege die Suche danach sein würde, war weitgehend ungewiss.
McNurney: Dan, ich denke, das wirklich Bemerkenswerte daran ist, dass wir es mit einem mRNA-Impfstoff zu tun haben, also einem neuartigen Ansatz im Kampf gegen diese Krankheit. Können Sie uns mehr über den Ansatz von Pfizer und BioNTech bei der Impfstoffentwicklung erzählen?
Lyons: Ja, sie verwenden einen von vier Ansätzen, die wir für wirklich vielversprechend halten und in der Vergangenheit hervorgehoben haben. Wir waren mit Blick auf die Entwicklung eines Vakzins unter anderem deshalb zuversichtlich, weil mehrere Modalitäten ins Visier genommen wurden. Dabei haben die meisten Programme eins gemein: Sie versuchen, eine Immunantwort gegen die Rezeptorbindungsdomäne des COVID-Virus zu entwickeln, um so zu verhindern, dass es in Zellen eindringen und diese infizieren kann. Die klinische Wirksamkeit dieses ersten Impfstoffs ist also wirklich ermutigend, denn sie wirkt sich positiv auf andere Impfstoff-Programme aus, weil sie ebenfalls Antikörper gegen denselben Teil des Virus erzeugen.
Ein mRNA-Impfstoff verwendet im Wesentlichen ein mRNA-Konstrukt, um Proteine aus dem Virus aufzubauen und eine Immunantwort auszulösen. Die mRNA ist für eine rasche Reaktion ideal, denn sobald die Sequenz des Virus bekannt ist, lassen sich sehr rasch Konstrukte entwerfen, die in Vakzinprogrammen verwendet werden können. Außerdem ist auch ein Impfstoff von Moderna in der letzten Prüfphase. Bei ihm wird dasselbe Konstrukt verwendet. Die Resultate werden Ende des Monats präsentiert. Grundsätzlich wird bei diesem Ansatz die mRNA erst als Primer, danach als Booster injiziert. Dadurch werden eine solide Antikörperreaktion auf das Virus und eine T-Zell-Reaktion ausgelöst. Diese Zwischenergebnisse belegen, dass diese Immunantwort eine COVID-Infektion wirksam verhindern kann.
McNurney: Dan, können Sie uns etwas über den Zeitplan sagen? Es gibt bereits erste Schätzungen, aber wie sehen Sie den Zeitplan für die Bereitstellung des Impfstoffs für die Bevölkerung?
Lyons: Mit diesen Zwischenergebnissen leiten die Unternehmen also Schritte ein, um eine Notfallzulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA zu beantragen. In den nächsten Wochen werden sie alle erforderlichen Daten haben, um den Antrag fertigzustellen. Dabei hoffen sie ihren eigenen Angaben zufolge darauf, dass die Zulassung bis zum Jahresende erteilt wird. Dann wird eine kleinere Anzahl von Dosen zur Verfügung stehen, rund 50 Millionen bis Dezember. Und wie Sie bereits gesagt haben, werden sie die Menge in diesem Programm nächstes Jahr auf insgesamt über 1 Milliarde Dosen hochfahren.
McNurney: Agustin, leider gibt es nicht nur gute Nachrichten. Die Fallzahlen hier in den USA, aber auch in anderen Ländern steigen. Können Sie uns den aktuellen Stand in Sachen Corona erläutern?
Agustin Mohedas: Ja, das ist richtig, Mike. Die Impfstoffdaten kommen genau zum richtigen Zeitpunkt. In Europa steigt die Zahl der Infektionen rasant. Dort erleben wir gerade eine massive zweite Welle. Europa hatte die Pandemie mit Lockdown-Maßnahmen und Abstandsregeln recht gut unter Kontrolle gebracht. Die Fallzahlen waren auf ein sehr niedriges Niveau gesunken. In den Sommermonaten sahen die Menschen die Abstandsgebote dann lockerer, sodass sich das Virus erneut ausbreiten konnte. Das beginnt zunächst sehr langsam, danach steigen die Infektionen jedoch exponentiell an, inzwischen in ganz Europa. Länder wie Großbritannien, Frankreich und andere greifen hart durch, um die Ausbreitung des Virus in den Griff zu bekommen.
Hier in den USA haben wir einen ganz anderen Ansatz gewählt. Jeder Bundesstaat hat sein eigenes Ding gemacht. Die Pandemie hat an der Ostküste begonnen, sich in den Sun Belt ausgedehnt und inzwischen die Staaten im mittleren Westen, die Bergstaaten und den Westen erreicht. Die Fallzahlen steigen aber im ganzen Land. Ich glaube, fast jeder Bundesstaat verzeichnet einen Anstieg der Infektionsfälle. Wir beobachten eine Ausbreitung auf breiter Front, die täglich neue Rekorde markiert.
McNurney: Uns ist daneben aufgefallen, dass die Sterblichkeitsrate leicht zu sinken scheint. Liegt das an Medikamenten wie Remdesivir?
Mohedas: Ja. Gilead hat vor Kurzem die volle Zulassung für Remdesivir erhalten. Diese antivirale Therapie wird COVID-19-Patienten mit schwerem Verlauf verabreicht. Es hat sich gezeigt, dass sich mit der Therapie die Verweildauer im Krankenhaus verkürzt und die Patienten schneller entlassen werden können. Daneben wurden auch mit anderen Ansätzen, wie etwa Antiköper-Therapien, ähnlich gute Ergebnisse erzielt. Durch Medikamente wie Remdesivir, den Erkenntnisgewinn von Ärzten mit Blick auf die Behandlung von Patienten, beispielsweise auch die richtige Einstellung von Beatmungsgeräten, die in Echtzeit ermittelt wurde, hat sich die Sterblichkeitsrate wohl in etwa halbiert. Genau lässt sich das nur schwer sagen. Aber da die Fallzahlen steigen und die stationären Behandlungen in den USA und jetzt auch in Europa Rekorde erreichen, wird es wahrscheinlich mehr Todesfälle geben als in den Sommermonaten. Daher kommen diese Impfstoffe genau zum richtigen Zeitpunkt.
McNurney: Dan, diese Fortschritte unterstreichen die Innovationstätigkeit im Gesundheitssektor. Wie lautet die Prognose, der Ausblick für Gesundheitsaktien?
Lyons: Ich denke, in dem Sektor gibt es rasante Fortschritte beim COVID-Impfstoff und bei Therapeutika im Allgemeinen. Zum einen unterstreicht das die Innovationskraft, mit der die Biopharmaindustrie auf Probleme reagiert. Die gesamte Branche entwickelt Impfstoffe und Therapien. Das zeigt, wie wertvoll der Biopharmasektor ist. Die Suche nach Lösungen zur Bekämpfung des Coronavirus hilft vielen Aktien aus dem Bereich Medizinprodukte und angrenzenden Branchen, die unter dem drastischen Rückgang geplanter Eingriffe leiden, weil Krankenhausbetten für COVID-Patienten reserviert werden. Daher rechnen wir auch in vielen Medizinproduktesektoren mit einer Erholung.
McNurney: Wie bereits erwähnt ist es das erste Mal, dass ein mRNA-Vakzin zum Einsatz kommt. Was würden Sie all jenen sagen, die dem neuen Impfstoff skeptisch gegenüberstehen, weil es eine neue therapeutische Modalität ist und die klinischen Studien ziemlich schnell durchgezogen wurden?
Lyons: Ja, ich hätte schon früher auf die bisherigen Sicherheitsdaten eingehen sollen. Davon wird es im Laufe der Zeit noch mehr geben. Bislang ist das Sicherheitsprofil für den Impfstoff aber beachtlich sauber, und das Vakzin wird gut vertragen. Außerdem wurden mRNA-Impfstoffe in einigen Krebsimpfstoffstudien bereits in großem Stil eingesetzt, bevor sie als breitere Impfstofftechnologie verwendet wurden. Ich persönlich warte auf all diese Sicherheitsdaten, die in Kürze vorliegen dürften. Daneben begrüße ich es sehr, dass die FDA sich stark auf das Sicherheitsprofil dieser Impfstoffe konzentriert hat und von den Unternehmen umfangreiche Nachuntersuchungen der Studienteilnehmer verlangt. Ich würde mich daher in der ersten Jahreshälfte 2021 ohne Weiteres impfen lassen, nachdem bislang eine beachtliche Wirksamkeit erzielt wurde und das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil bis dato sehr sauber ist.
McNurney: Meine Herren, vielen Dank dass Sie sich heute Zeit genommen haben.