Ratings für verbriefte Vermögenswerte: Kann man ihnen vertrauen?
Die Portfoliomanager Seth Meyer, John Kerschner und John Lloyd sprechen über Ratings für verbriefte Vermögenswerte und die Frage, ob Anleger beim Aufbau von Portfolios aus festverzinslichen Anlagen darauf vertrauen können.

7 Minuten Lesezeit
Zentrale Erkenntnisse:
- Nach massiven Verlusten bei Anleihenanlagen seit Jahresbeginn und angesichts der zunehmenden Wahrscheinlichkeit einer globalen Rezession sind Anleiheanleger möglicherweise bestrebt, in Anleihen mit höheren Ratings umzuschichten.
- Verbriefte Indizes verfügen in der Regel über höhere durchschnittliche Ratings als Indizes für Unternehmensanleihen. Dennoch fragen sich viele Anleger, inwieweit sie diesen Ratings nach der globalen Finanzkrise vertrauen können.
- Auch wenn die Berücksichtigung von Kreditratings unserer Ansicht nach ein wesentlicher erster Schritt bei der Bewertung von Anleihenanlagen bleibt, sind ein gründliches Buy-Side-Research und ein aktives Management erforderlich, um den Prozess zu vervollständigen.
Da der Bloomberg U.S. Aggregate Bond Index (Agg) seit Jahresbeginn um 15,8% gefallen ist,1 entwickelt sich das Jahr 2022 weiterhin zum bislang schwächsten Jahr für US-Investment-Grade-Anleihen. Im Gegensatz dazu verzeichnete der Agg zwischen 1976 und 2021 nur viermal negative Renditen im Kalenderjahr, wobei die schlechteste jährliche Rendite in Höhe von -2,9% im Jahr 1994 verzeichnet wurde. Anleger mit einer Allokation in Anleihen, die sich auf ihre beständigen Renditen und ihre niedrige Volatilität verlassen hatten, waren von den abrupten Rückgängen geschockt. Hinzu kommt die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer globalen Rezession, weshalb sich viele Anleger fragen, wie sie ihre Portfolios für die Zukunft ausrichten sollen.
Auf der Suche nach Qualität und Rendite
Da Anleiheanleger nach höherer Qualität und höheren Erträgen Ausschau halten, sind wir überzeugt, dass verbriefte Sektoren2 bei beiden Kriterien etwas zu bieten haben. Angesichts ihrer geringen Duration, ihrer attraktiven Renditen, ihrer starken Kreditqualität und ihres diversifizierten Risikos sind verbriefte Vermögenswerte auf risikobereinigter Basis in den Vordergrund gerückt. Wie in Abbildung 1 gezeigt, bieten verbriefte Sektoren attraktive Renditen mit einem geringeren Zinsrisiko (gemessen an der Duration) im Vergleich zu Unternehmensanleihen mit Investment Grade (IG).
Abbildung 1: Verbriefte Sektoren bieten attraktive Renditen mit einem geringeren Zinsrisiko ggü. IG-Unternehmensanleihen
Quelle: Bloomberg, JP Morgan, Stand: 14. Oktober 2022. Indizes, die zur Darstellung von Anlageklassen verwendet werden: AAA CLOs (JP Morgan AAA CLO Index), MBS (Bloomberg U.S. MBS Index), ABS (Bloomberg U.S. Aggregate ABS Index), CMBS (Bloomberg U.S. CMBS Investment Grade Index), IG Corporates (Bloomberg U.S. Corporate Investment Grade Index). Die Rendite wird sich im Laufe der Zeit ändern.
Wie riskant sind verbriefte Vermögenswerte?
Trotz ihrer attraktiven Relation zwischen Rendite und Duration könnten viele Anleger aufgrund des Kreditrisikos immer noch Bedenken haben, in verbriefte Sektoren zu investieren. Unseres Ermessens ist diese Zurückhaltung auf die globale Finanzkrise zurückzuführen, bei der verbriefte Vermögenswerte — insbesondere hypothekarisch besicherte — im Epizentrum des Zusammenbruchs der Finanzmärkte standen. Trotz des Stigmas, dass sie riskanter sind als Unternehmensanleihen, weisen verbriefte Sektoren tatsächlich höhere durchschnittliche Kreditratings auf als Unternehmensanleihen, wie in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: Die Ratings in verbrieften Sektoren sind hauptsächlich AAA
Quelle: Bloomberg, JP Morgan, Stand: 17. Oktober 2022. Indizes, die zur Darstellung von Anlageklassen verwendet werden, gemäß Abbildung 1.
Die entscheidende Frage lautet: Können wir den Ratings vertrauen?
Verständlicherweise sind aus dem Jahr 2008 noch Narben zurückgeblieben, als Anleger mit ihrer Meinung nach sicheren Anlagen — hypothekarisch besicherte Wertpapiere mit AAA-Rating —Verluste erlitten haben. Daraufhin haben sich viele geschworen, nie wieder in diese „riskanten“ Produkte zu investieren. Darüber hinaus stellte die Financial Crisis Inquiry Commission nach 2008 fest, dass die drei größten Ratingagenturen 3 eine wichtige Rolle beim Zusammenbruch der Finanzmärkte gespielt hatten. Die Agenturen hatten nachweislich Wertpapieren AAA-Ratings erteilt, die mit riskanten Subprime-Hypotheken besichert waren, die ein höheres Ausfallrisiko hatten als ihre Ratings vermuten ließen. Aus diesem Grund vertrauen viele Anleger den Ratings (paradoxerweise insbesondere den AAA-Ratings) für verbriefte Vermögenswerte nicht mehr.
Während die Kritik an den Ratingagenturen wahrscheinlich gerechtfertigt ist, ist es wichtig, zu beachten, was im Vorfeld der Krise von 2008 an den Kreditmärkten vor sich ging. Hypothekenfinanzierer gewährten zu dem Zeitpunkt zahlreiche riskante Subprime-Kredite an unqualifizierte Käufer. Hätte es nicht diese umfassenden, rücksichtslosen Kreditvergaben gegeben, hätten die verbrieften Vermögenswerte möglicherweise nicht in diesem Umfang gelitten. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu beachten, da einige Anleger daraus geschlossen haben, dass besicherte Vermögenswerte das eigentliche Problem waren, obwohl in Wirklichkeit die Qualität der zugrunde liegenden Kredite das Problem war.
Nichtsdestotrotz hätten die Ratingagenturen auf die schlechte Qualität der zugrunde liegenden Kredite hinweisen und den Wertpapieren niedrigere Kreditratings erteilen sollen. In dieser Hinsicht traf sie ein Verschulden. Auch wenn die Presse und die Aufsichtsbehörden die Interessenkonflikte der Agenturen 4 für die überhöhten Ratings verantwortlich gemacht haben, ist die Wahrheit etwas nuancierter. Die Ratingagenturen standen im Zusammenhang mit Hypotheken während der globalen Finanzkrise vor einer doppelten Herausforderung. Erstens gab es vor dem Jahr 2000 keine Subprime-Kredite bei Verbriefungen, so dass sie keine Erfahrung hatten, auf die sie sich bei der Kalibrierung ihrer Modelle stützen konnten. Zweitens hatte der US-Wohnungsmarkt bis zur globalen Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise kein Jahr mit negativem Anstieg der Eigenheimpreise erlebt, so dass ihre Modelle nicht darauf ausgerichtet waren, einen eventuellen Rückgang der Eigenheimpreise um über 30% zu berücksichtigen.
Wenn wir die Auswirkungen der überhöhten Ratings während der globalen Finanzkrise untersuchen, glauben wir nicht, dass die Lösung darin besteht, Kreditratings – oder Ratingagenturen – vollständig abzuschreiben. Nach 2008 wurden die Kreditvergabestandards erheblich verschärft, und die Modelle beinhalten nun realistischere Annahmen in Bezug auf den Anstieg der Preise und die Ausfallraten. Daher hätten wir unrecht, wenn wir ein AAA-Rating im Jahr 2022 mit derselben Skepsis wie im Jahr 2008 betrachten würden. Darüber hinaus gab es während der globalen Finanzkrise zwar Probleme mit den Ratings von MBS, aber in anderen verbrieften Sektoren lagen die Ratingagenturen mit ihren Ratings weitgehend richtig. Zum Beispiel ist seit Ende der 1990er Jahre keine Auto-ABS-Anleihe jemals ausgefallen, und während der globalen Finanzkrise gab es keine Wertminderungen von Investment-Grade-CLOs.
Ratings, unabhängiges Research und aktives Management
Ratingagenturen haben die wichtige Aufgabe, die Informationslücke zwischen Anlegern und Emittenten von Schuldtiteln zu schließen. Und obwohl ihre Bewertungen anfällig für Interessenkonflikte oder Fehler sein können, sind die Ratings einfach zu wichtig, um sie vollständig abzuschaffen. Stellen Sie sich eine Welt ohne Kreditratings vor — wo würden Anleger anfangen? Und das ist genau der Punkt: Unserer Ansicht nach sind Kreditratings einfach ein Anfangspunkt. Sie sind vielleicht der Beginn, können aber nicht das Ende der Bonitätsbewertung sein. Wir sind überzeugt, dass aktives Management erforderlich ist, um den Prozess abzuschließen, und dass es keinen Ersatz für unabhängiges Research gibt, bei dem ein Investmentmanager strenge Due-Diligence-Prüfungen bei Schuldtitelemissionen durchführt, um die Aussage des Kreditratings entweder zu bestätigen oder zu widerlegen. Während passive Anlagestrategien erforderlich sein könnten, um Kreditratings für bare Münze zu nehmen, kann ein starkes Buy-Side-Research-Team in jedem Ratingsegment Anleihen identifizieren, deren Rating ihrer Meinung nach nicht gerechtfertigt ist.
Darüber hinaus werden nicht alle Wertpapiere mit demselben Rating zu derselben Rendite oder demselben Spread-Niveau gehandelt. Wie in Abbildung 3 gezeigt, ist die Streuung der Spreads bei Vermögenswerten derselben Art und mit demselben oder ähnlichem Rating sehr unterschiedlich. Diese Schwankungen der Bonität, des Ratings und des Spread-Niveaus können aktiven Managern Chancen bieten, risikobereinigte Renditen anzustreben, die besser als diejenigen des Index sind.
Abbildung 3: Spread-Spanne bietet Chancen für aktive Manager
Quelle: Bloomberg, Janus Henderson Investors, Stand: 17. Oktober 2022. Das Diagramm zeigt den Interquartilsbereich (orangefarbenes Feld) und das 5./95. Perzentil nach Ratingkategorie (schwarze Linie). Die Spreads können sich im Laufe der Zeit ändern. Das orangefarbene Feld stellt das 75. Perzentil oben und das 25. Perzentil unten dar; die schwarze Linie stellt das 95. Perzentil oben und das 5. Perzentil unten dar. Die Spreads können sich im Laufe der Zeit ändern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ratingagenturen, auch wenn sie keine perfekte Bilanz bei der Vorhersage von Zahlungsausfällen haben, weiterhin eine wichtige Rolle für das Funktionieren der Anleihenmärkte spielen und ihre Ratings nach wie vor ein nützliches Instrument für Anleger sind. Nichtsdestotrotz sollten Anleger, anstatt sich ausschließlich auf Ratings zu verlassen, unserer Ansicht nach die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen eines unabhängigen Research und eines aktiven Managements berücksichtigen, wenn sie ihre Portfolios aus festverzinslichen Anlagen für das aktuelle Umfeld positionieren.
1 Stand: 14. Oktober 2022.
2 Für die Zwecke dieses Artikels bestehen verbriefte Sektoren aus den folgenden Sektoren: Collateralized Loan Obligations (CLOs), Mortgage-Backed Securities (MBS), Asset-Backed Securities (ABS) und Commercial Mortgage-Backed Securities (CMBS). Am Ende des Artikels finden Sie Definitionen/Risikoangaben für jede Anlageklasse.
3 Moody's, Standard and Poor's (S& P) und Fitch.
4 Es wurde argumentiert, dass Ratingagenturen aufgrund der Tatsache, dass die Emittenten von Schuldtiteln nach dem Modell des zahlenden Emittenten für ihre Ratings zahlen, dazu neigen, den Emittenten günstige Ratings zu erteilen, um ihre Umsatzinteressen zu schützen.
Duration misst die Preissensitivität einer Anleihe für Zinsänderungen. Je länger die Duration einer Anleihe, desto höher die Zinssensitivität und umgekehrt. Yield-to-Worst (YTW): Die niedrigste Rendite, die sich mit einer Anleihe erzielen lässt, sofern der Emittent nicht ausfällt und unter Berücksichtigung eines eventuell bestehenden Kündigungsrechts (d. h. eines Rechts des Emittenten, die Anleihe zu einem im Voraus festgelegten Termin zu tilgen). Auf Portfolioebene entspricht diese Kennzahl der gewichteten durchschnittlichen YTW aller zugrunde liegenden Emissionen. Kreditratings werden auf einer Skala vergeben, die in der Regel von AAA (höchstes Rating) bis D (niedrigstes Rating) reicht. Kreditspread bezeichnet die Renditedifferenz zwischen Wertpapieren mit ähnlicher Restlaufzeit, aber unterschiedlicher Bonität. Eine Spread-Weitung deutet im Allgemeinen auf eine Verschlechterung der Bonität von Emittenten hin, eine Verengung dagegen auf eine Verbesserung der Bonität.
WICHTIGE INFORMATIONEN
In der Indexperformance sind Ausgaben für die Verwaltung eines Portfolios nicht berücksichtigt, da ein Index nicht gemanagt wird und Anleger nicht direkt in einen Index anlegen können.
Eine Diversifizierung garantiert weder das Erzielen von Gewinnen noch eliminiert es das Risiko von Anlageverlusten. Collateralised Loan Obligation (CLOs) sind in verschiedenen Tranchen ausgegebene Schuldtitel mit unterschiedlichem Risiko, die durch ein zugrunde liegendes Portfolio unterlegt sind, das hauptsächlich aus Sub-Investment-Grade-Unternehmensanleihen besteht. Die Rückzahlung des Kapitals ist nicht garantiert, und die Kurse können sinken, wenn Zahlungen nicht pünktlich geleistet werden oder sich die Bonität verschlechtert. CLOs unterliegen dem Liquiditätsrisiko, dem Zinsrisiko, dem Kreditrisiko, dem Kündigungsrisiko und dem Ausfallrisiko der zugrunde liegenden Vermögenswerte.
Hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS) können empfindlicher auf Zinsänderungen reagieren. Sie unterliegen dem Verlängerungsrisiko, bei dem die Kreditnehmer die Laufzeit ihrer Hypotheken bei steigenden Zinsen verlängern, und dem Vorfälligkeitsrisiko, bei dem die Kreditnehmer ihre Hypotheken bei sinkenden Zinssätzen früher abbezahlen. Diese Risiken können die Rendite schmälern. Verbriefte Produkte wie hypotheken- und forderungsbesicherte Wertpapiere reagieren empfindlicher auf Zinsänderungen, unterliegen dem Verlängerungs- und Vorauszahlungsrisiko und einem höheren Kredit-, Bewertungs- und Liquiditätsrisiko als andere Anleihen.
Die vorstehenden Einschätzungen sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können von den Ansichten anderer Personen/Teams bei Janus Henderson Investors abweichen. Die Bezugnahme auf einzelne Wertpapiere stellen keine Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder Halten eines Wertpapiers, einer Anlagestrategie oder eines Marktsektors dar und sollten nicht als gewinnbringend angesehen werden. Janus Henderson Investors, die mit ihr verbundenen Berater oder ihre Mitarbeiter haben möglicherweise eine Position in den genannten Wertpapieren.
Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für die künftige Wertentwicklung. Alle Performance-Angaben beinhalten Erträge und Kapitalgewinne bzw. -verluste, aber keine wiederkehrenden Gebühren oder sonstigen Ausgaben des Fonds.
Der Wert einer Anlage und die Einkünfte aus ihr können steigen oder fallen. Es kann daher sein, dass Sie nicht die gesamte investierte Summe zurückerhalten.
Die Informationen in diesem Artikel stellen keine Anlageberatung dar.
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