Europäische börsennotierte Immobilien: Wiederherstellung der Risikoprämie
Guy Barnard, Co-Leiter des Bereichs Global Property Equities, und Nicolas Scherf, Portfoliomanager, erörtern die Schwäche der Märkte für europäische börsennotierte Immobilien in diesem Jahr und die Frage, ob das Schlimmste bereits in den Markt eingepreist ist und ein Aufschwung bevorsteht.

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Zentrale Erkenntnisse:
- Die Aktien europäischer börsennotierter Immobilien hatten unter einem doppelten Dilemma zu leiden, nämlich eine starke Verschlechterung der Finanzierungskosten und steigende Rezessionsrisiken.
- Der daraus resultierende Rückgang der Werte von Direktimmobilien dürfte für Anleger in börsennotierte Immobilien keine Überraschung sein, da sich die impliziten Bewertungsrückgänge von 20-30 % bereits in den Aktienkursen widerspiegeln.
- Die Kreditmärkte stellen das größte Risiko dar, aber der börsennotierte Immobiliensektor scheint im Allgemeinen gut positioniert zu sein, mit längerfristigen und größtenteils festverzinslichen Schulden.
- Die Qualität und Verlässlichkeit der Erträge wird entscheidend sein, wobei die Konzentration auf Bereiche mit strukturellem Wachstum und Unterangebot dazu beitragen dürfte, negative zyklische Kräfte abzufedern.
Anleger in europäischen börsennotierten Immobilien haben bisher ein turbulentes Jahr 2022 hinter sich, denn der Sektor war das schwächste Segment des Aktienmarktes. Europäische Immobilienaktien sind seit Jahresbeginn um fast 40% gefallen, vergleichbar mit dem Rückgang um 49% im Jahr 2008 während der globalen Finanzkrise (GFK).1 In einem zunehmend unsicheren Umfeld sah sich der Sektor mit einem doppelten Dilemma konfrontiert: eine starke Verschlechterung der Finanzierungskosten aufgrund höherer Swap-Sätze und (in einigen Fällen erheblich) weitere Kreditspreads sowie eine mögliche Rezession in Europa, die es schwieriger macht, Mieteinnahmen zu erzielen. Immobilienaktien sind vielleicht auch zu einer Liquiditätsquelle für jene Anleger geworden, die wieder einmal in „offenen“ direkten Immobilienfonds gefangen sind.
Es ist klar, dass der Markt für direkt gehaltene (private) Immobilien nach einer Phase des allgemein starken Anstiegs über einen Großteil des letzten Jahrzehnts auf ein „Luftloch“ gestoßen ist. Immobilienrenditen, die für Anleger in einer Welt niedriger Zinsen und Finanzierungskosten sinnvoll waren, sind für Käufer, die auf Fremdkapital angewiesen sind, um ihre Renditeziele zu erreichen, nicht länger interessant. Darüber hinaus verfügen viele auf Aktien fokussierte Anleger nun über eine breitere Palette an Anlagemöglichkeiten, einschließlich Anleihen und Krediten, um ihre Einkommensanforderungen zu erfüllen.
Das kann für Immobilien nur eine Wertkorrektur zur Folge haben – die einzige Frage ist, wie stark sie ausfallen wird. Auf welchem Niveau stabilisiert sich der Markt für Anlagen und öffnet sich wieder, und wie schnell wird sich dies an den Märkten und in den Bewertungen niederschlagen?
Wiederherstellung der Risikoprämie
In den letzten zehn Jahren erzielten Anleger mit ihren Immobilienanlagen eine um etwa 300-400 Basispunkte höhere Rendite als mit Staatsanleihen. Diese Risikoprämie lag weit über den historischen Durchschnittswerten2 und spiegelt unserer Ansicht nach die Tatsache wider, dass die Anleger immer von einer gewissen Normalisierung der Geldpolitik ausgingen – wir vermuten allerdings, dass die meisten von der Geschwindigkeit der Straffung in den letzten Monaten überrascht wurden.
Wenn wir weiter zurückblicken, liegt die längerfristige Risikoprämie für Immobilien näher bei 100-200 Basispunkten,3 unterstützt durch die Tatsache, dass Einkommensströme aus Immobilien im Laufe der Zeit durch das zugrunde liegenden Wirtschaftswachstum, steigende Mieten und in vielen Fällen durch inflationsgebundene Mietverträge wachsen können (und gewachsen sind).
Quelle: Refinitiv Datastream, MSCI, Panmure Gordon Real Estate Chartbook, Stand: 30. September 2022. NIY= Nettoeinkommensrendite.
Wenn wir am Beispiel Großbritanniens (Abbildung 1) davon ausgehen, dass die zuletzt veröffentlichte Einkommensrendite aus allen Immobilienkatagorien (All Property Income Yield) einschließlich Einzelhandel, Büro und Industrie von 4,5% eine ähnlich hohe Risikoprämie wie vor der GFK erreicht, würde dies auf der Grundlage der aktuellen Anleiherenditen einen Anstieg um etwa 50-100 Basispunkte oder einen Wertverlust von etwa 10-20% bedeuten, wenn man von unveränderten Mieten ausgeht.4
Aus unseren Gesprächen mit Immobilienunternehmen geht eindeutig hervor, dass möglicherweise eine Preiskorrektur im Gange ist, wobei viele der Meinung sind, dass die Immobilienrenditen bereits um 50 Basispunkte gestiegen sind und wahrscheinlich weitere Anstiege folgen werden, die allerdings je nach Land, Sektor und Qualität der Objekte unterschiedlich ausfallen dürften. Bewerter auf dem direkten (privaten) Markt beginnen, dies in ihren Bewertungen widerzuspiegeln; dieser Prozess könnte sich im kommenden Jahr fortsetzen.
Seien Sie nicht überrascht
Das klingt zwar alles recht dramatisch, sollte für Anleger in börsennotierten Immobilien jedoch keine Überraschung sein. Wenn wir uns nämlich ansehen, was die Aktien der Unternehmen, in die wir investieren, implizieren, sehen wir in unserem europäischen Anlageuniversum bereits eine Renditeausweitung um mehr als 150 Basispunkte.
Abbildung 3 zeigt die implizite Immobilienrendite (Nettomieteinnahmen/Unternehmenswert) von Landsec, einem der größeren diversifizierten REITs (Real Estate Investment Trusts) im Vereinigten Königreich. Seine jüngste Immobilienbewertung (März 2022) spiegelte eine Rendite von 5,2% auf sein Portfolio wider.5
Abbildung 3: Landsec – implizite Immobilienrendite gegenüber Anleiherendite

Der Aktienmarkt bewertet dasselbe Immobilienportfolio heute mit einer Rendite von fast 8%. Dies entspricht in etwa dem Niveau auf dem Höh20epunkt der GFK (als die Bilanz wesentlich schwächer war als heute), und wir müssten bis in die späten 1990er / frühen 2000er Jahre zurückgehen, um nachhaltig höhere implizite Kapitalisierungssätze zu finden. Interessant ist auch die Feststellung, dass auf dem Londoner Büroimmobilienmarkt, der den größten Teil des Portfolios von Landsec ausmacht, die Renditen für City-Büros in Toplage in den letzten 30 Jahren 6,75% nicht überschritten haben, einschließlich der Zeiträume, in denen die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen bei über 10% lagen.6
Während einige dies angesichts der aktuellen makroökonomischen Risiken, einschließlich des jüngsten politischen Chaos im Vereinigten Königreich selbst, als gerechtfertigt ansehen mögen, ist es interessant zu berücksichtigen, dass Landsec im September einen seiner größten Vermögenswerte, ein bald fertig gestelltes Bürogebäude, das der Deutschen Bank als britischer Hauptsitz dienen soll, verkauft hat. Der australische Käufer zahlte 809 Mio. £, was einer Rendite von 4,7% und einem Abschlag von etwa 9% auf den Buchwert entspricht (vor einem Steuervorteil aus dem Verkauf vor Fertigstellung). Auch wenn der Verkauf unter dem Buchwert Fragen aufwirft, halten wir dies angesichts der von der Börse implizierten Bewertung und der Tatsache, dass sich ein Entwicklungsgewinn von 25% herauskristallisiert hat, für ein gutes Geschäft. Außerdem konnte Landsec dadurch seinen Verschuldungsgrad auf rund 30% (Loan-to-Value) senken, und das bei einer durchschnittlichen Laufzeit von mehr als neun Jahren und weitgehend (>70%) festen/gesicherten Zinskosten von 2,4%7 – heute ein Wert an sich!
Liegt es am Preis?
Es ist klar, dass die Immobilienmärkte in Turbulenzen geraten sind und sich im kommenden Jahr auf einem neuen Niveau einpendeln müssen, das die vorherrschenden Finanzierungskosten und die schwierigen wirtschaftlichen Aussichten in Europa sowie das damit verbundene Ertragsrisiko besser widerspiegelt. Weitere Risiken bleiben bestehen, vor allem im Hinblick auf die Kosten und die Verfügbarkeit neuer Kredite – hier werden einige wahrscheinlich unter Druck geraten. Der Sektor börsennotierter Immobilien scheint jedoch im Allgemeinen besser aufgestellt zu sein, da er über längerfristige und größtenteils festverzinsliche/abgesicherte Darlehen verfügt – dies muss heute ein Hauptaugenmerk der Anleger sein. Auch die Qualität und Verlässlichkeit der Erträge wird wichtiger werden, da die Vermieter nicht durch zyklisches Wachstum gestützt werden, und die Refinanzierung von nun an eher ein hemmender als ein positiver Einfluss sein dürfte. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Konzentration auf Bereiche mit strukturellem Wachstum und Unterversorgung dazu beitragen kann, diese negativen zyklischen Kräfte abzufedern.
Auch wenn Bewertungen heute als weniger relevant angesehen werden als makroökonomische Top-down-Überlegungen, ist es wichtig zu verstehen, dass die Abschläge auf den Nettoinventarwert (NAV) für den Sektor jetzt größer sind als während der GFK und Anfang der 1990er Jahre, da wir der Meinung sind, dass viele Risiken bereits in die Märkte für börsennotierte Immobilien eingepreist sind. Zweifellos wird es in den kommenden Monaten mehr „Schlagzeilenrisiken“ bei Immobilien geben, denn Gutachter und Transaktionen halten mit den Ereignissen und potenziellen Refinanzierungsproblemen Schritt. Vieles davon sollte jedoch erwartet werden/bekannt sein, da Immobilienaktien bereits ungesicherte Bewertungsrückgänge von 20-30 % berücksichtigen (Abbildung 4).
Abbildung 4: Die Bewertungsabschläge in ganz Europa sind historisch hoch – implizite Bewertungsrückgänge um 30%

Quelle: Morgan Stanley Research, Analyse von Janus Henderson Investors, Daten vom 31. Dezember 1991 bis 14. Oktober 2022.
Betrachtet man die aktuellen Bewertungen, so wurden mutige Anleger, die bereit waren, über die kurzfristigen Turbulenzen hinwegzusehen, in der Vergangenheit reichlich belohnt, wenn man die Korrelation zwischen dem Abschlag auf den Nettoinventarwert und der Rendite in den folgenden 12 Monaten zugrundelegt (Abbildung 5). Vielleicht ist es derzeit noch zu früh oder erfordert noch mehr Mut – aber die „Zu verkaufen“-Schilder an europäischen REITs werden nicht ewig bestehen bleiben.
Abbildung 5: Abschlag/Aufschlag auf den NAV gesamteuropäischer Immobilien (horizontale Achse in %) im Vergleich zur nächsten 1-Jahres-Gesamtrendite des Aktienkurses (vertikale Achse in %), monatlich seit 1990

Quelle: Refinitiv Datastream, Unternehmensdaten, Morgan Stanley Research Daten vom 31. Dezember 1989 bis 14. Oktober 2022. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit lässt nicht auf künftige Erträge schließen.
Anmerkung:
Verweise auf einzelne Wertpapiere stellen keine Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder Halten eines Wertpapiers, einer Anlagestrategie oder eines Marktsektors dar und sollten nicht als gewinnbringend angesehen werden. Janus Henderson Investors, sein verbundener Berater oder seine Mitarbeiter können eine Position in den genannten Wertpapieren halten.
1 Gesamtrendite des Bloomberg, FTSE EPRA NAREIT Developed Europe Index, 31. Dezember 2021 bis 26. Oktober 2022 und Kalenderjahr 2008. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit lässt nicht auf künftige Erträge schließen.
2 Quelle: FTSE EPRA NAREIT Developed Europe Index ggü. FTSE European 10-year government bond yields per 30. September 2022.
3 CBRE, MSCI, Refinitiv Datastream, Peel Hunt, Stand: 31. Dezember 2022.
4 UBS Global Research, UK Real Estate, Stand: 24. Oktober 2022.
5 Landsec Jahresbericht 2022.
6 UBS Global Research, UK Real Estate, Stand: 24. Oktober 2022.
7 Landsec Press Room; Landsec Jahresbericht 2022.
Kapitalisierungsrate: Die Kapitalisierungsrate wird als Prozentsatz ausgedrückt und schätzt die potenzielle Rendite einer Immobilieninvestition. Um sie zu berechnen, werden die Nettobetriebseinnahmen der Immobilie durch den aktuellen Marktwert dividiert.
REITs oder Real Estate Investment Trusts sind Anlageinstrumente, die in Immobilien investieren, indem sie direktes Eigentum an Immobilienvermögen, Immobilienaktien oder Hypotheken halten. Da sie an einer Börse notiert sind, sind REITs in der Regel sehr liquide und werden wie normale Aktien gehandelt.
Immobilienaktien, einschließlich Immobilien-Investmentgesellschaften (REITs), können zusätzlichen Risiken ausgesetzt sein, unter anderem einem Zins-, Management-, Steuer-, Wirtschafts-, Umwelt- und Konzentrationsrisiko.
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