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Aktien-Ausblick: Den Daten folgen, nicht dem Drama

In seine Aktien-Ausblick erklärt Matt Peron, warum restriktivere Finanzierungsbedingungen in den USA wohl eher zu einer mittzyklischen Anpassung als zu einer Rezession führen dürften und wie Aktienanleger – durch Fokussierung auf qualitativ hochwertige Wachstumsunternehmen – die von schwächeren Gewinnen ausgehenden Belastungen abfedern können.

Matt Peron

Matt Peron

Director of Research | Portfoliomanager


29. Nov. 2022
12 Minuten Lesezeit

Zentrale Erkenntnisse:

  • Große Teile der zugrunde liegenden Wirtschaft stehen auf einer soliden Basis, und systemische Risiken scheinen nicht zu drohen. Deshalb dürfte die US-Wirtschaft eher vor einer mittzyklischen Anpassung als vor einer schweren Kontraktion stehen.
  • Der Schaden durch sinkende Bewertungskennzahlen ist zwar zum Großteil bereits angerichtet, jedoch sollten die Anleger weiterhin darauf gefasst sein, dass infolge der nachlassenden Konjunktur die Gewinnschätzungen gesenkt werden.
  • Wenn sich die Anleger auf hochwertige Unternehmen mit soliden Bilanzen und Aussicht auf ein nachhaltiges organisches Wachstum konzentrieren, könnten sie sich gegen Verluste am breiteren Aktienmarkt etwas absichern.

Im gesamten Jahr 2022 haben Aktienanleger Schwierigkeiten gehabt, die soliden Finanzdaten der Unternehmen mit der Erwartung in Einklang zu bringen, dass eine aggressive Straffung der Geldpolitik zu einem erheblich schwächeren Wirtschaftswachstum führen wird. Noch komplizierter wird dies durch die bislang nicht erhörten Gebete der Anleger, dass die US-Notenbank (Fed) und andere Zentralbanken hoffentlich doch nicht mit der letzten Entschlossenheit bei ihrem restriktiven Kurs bleiben und entweder bei ersten Anzeichen einer nachlassenden Inflation eine Kehrtwende vollziehen oder im Angesicht einer Rezession kalte Füße bekommen könnten. Dieser unbegründete Optimismus äußerte sich im Jahresverlauf in einer Reihe von kurzlebigen Rallys mit Anstiegen um mindestens 6% - während der Abwärtstrend an den Aktienmärkten intakt blieb.

Unseres Erachtens müssen sich die Anleger damit abfinden, dass die Ära der extrem niedrigen Zinsen, die Aktien Auftrieb gaben, allmählich zu Ende geht. Der Weg zur Normalisierung der Geldpolitik wird zwar weiterhin holprig und steinig sein – vor allem weil die Inflation erhöht bleibt –, doch es gibt Anzeichen, dass die extrem düsteren Prognosen, die vor allem für die USA einen dauerhaften Baissemarkt und einen schweren Konjunkturabschwung in Aussicht stellten, übertrieben sind. Dank der niedrigen Zinsen und der Konjunkturpakete aus der Zeit der Pandemie sind die Bilanzen der Unternehmen in einer guten Verfassung und die Gewinne erstaunlich widerstandsfähig. Auch der US-Arbeitsmarkt präsentiert sich nach wie vor stark.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass zusätzliche – wenngleich langsamere – Zinserhöhungen in den USA eher in eine mittzyklische Anpassung als in einen schweren wirtschaftlichen Abschwung münden dürften. Allein diese Möglichkeit ist ein Hinweis darauf, dass die Fed bei der Unterstützung der Anlagepreise mittlerweile eine weniger große Rolle spielt. Die Anleger wären daher gut beraten, darauf zu achten, in welcher Phase sich der Marktzyklus gerade befindet, wenn sie die Positionierung ihrer Aktienallokationen festlegen.

Eine nachlassende Konjunktur und höhere Kapitalkosten trüben zwangsläufig die Aussichten für die Unternehmen. Um diese Phase gut zu überstehen, sollten die Anleger unserer Ansicht nach Unternehmen bevorzugen, die sich durch Qualität auszeichnen. Diese Unternehmen dürften sich dank ihrer soliden Bilanzen und ihrer Fähigkeit, im gesamten Marktzyklus stabile Gewinne zu erwirtschaften, resilienter sein als andere, schwächere Unternehmen und könnten aus einem Abschwung gestärkt und mit einer verbesserten Wettbewerbsposition hervorgehen.

Schmerzvolle – aber notwendige – Neubewertung

Der Hauptgrund für die negativen Aktienerträge im Jahr 2022 waren die Kennzahlen, die sanken, weil die bis dahin hohen Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) wieder auf den Boden zurückgeholt wurden. Dies ging zu einem großen Teil darauf zurück, dass höhere Diskontierungssätze den Zeitwert der erwarteten Gewinnströme eines Unternehmens minderten. Wie schnell die Zinsen stiegen, war verblüffend - das Ergebnis dagegen nicht. In den zehn Jahren, in denen die Zinsen sehr niedrig waren, stiegen die Aktienbewertungen steil an, weil die Unternehmen extrem günstige Kredite aufnahmen und die Anleger auf der Suche nach Rendite und Wachstum die Kurse risikoreicherer Anlageklassen in die Höhe trieben. Doch bis Oktober war das KGV des S&P 500® Index für das Gesamtjahr 2022 um 30% auf 16x gesunken. Dieses Niveau steht unseres Erachtens mit Kapitalkosten – abgebildet durch die Rendite 10-jähriger US-Treasuries – von 4,0% im Einklang; dies entspricht etwa der Mitte der Spanne in letzter Zeit.

Abbildung 1: Verhältnis zwischen Rendite 10-jähriger US-Treasuries und KGV des S&P 500

Längerfristig betrachtet steht eine Rendite der 10-jährigen US-Treasuries von 4,0% normalerweise mit einem KGV auf Basis der geschätzten Gewinne von rund 16x im Einklang.

Aktien-Ausblick 2023 Abbildung 1: Verhältnis zwischen Rendite 10-jähriger US-Treasuries und KGV des S&P 500

Quelle: Bloomberg, Stand: 10. November 2022. Regression auf Basis der Monatsdaten zu den Renditen 10-jähriger US-Treasuries und der KGVs auf Basis der Gewinne der letzten zwölf Monate für den S&P 500; korreliert stark mit zukunftsgerichteten Kennzahlen.

Die Bewertungskennzahlen sind auf – und in manchen Fällen unter – die historischen Durchschnitte gesunken, und die 10-jährige Rendite scheint einen Höchststand erreicht zu haben; deshalb glauben wir, dass die belastenden Effekte des KGV-Rückgang zum Großteil hinter uns liegen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Aktien über den Berg sind. Die Gesamtschätzungen zu den Gewinnen im S&P 500 für 2022 und 2023 wurden nur um jeweils 3,4% und 5,0% nach unten korrigiert. Aufgrund der nachlassenden Konjunktur dürften diese Schätzungen unseres Erachtens noch weiter gesenkt werden. Ähnliches gilt für globale Aktien – vielleicht sogar umso mehr, wenn man die zusätzliche Belastung durch die akute Energieknappheit in Europa und, im Falle Asiens, die ständig neuen covid-bedingten Lockdowns in China bedenkt.

Arbeitsmarkt: der nächste Stein, der fällt?

Während die US-Wirtschaft im dritten Quartal mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 2,6 % wuchs, sind Anzeichen einer Abschwächung zu erkennen. Die höheren Kreditkosten führten dazu, dass sowohl die Warenkäufe als auch der Wohnungsbau das Wachstum belasteten; die Lagerbestände wirkten sich ebenfalls negativ aus. Dies könnte auf eine Abnahme der Fertigerzeugnisse hindeuten, wie sie bei einem wirtschaftlichen Abschwung häufig auftritt. Dies bekräftigt auch die Komponente Auftragseingang des vom Institute for Supply Management ermittelten Index für den Fertigungssektor, die seit Mai niedriger notiert als die Komponente Lagerbestände.

Andere Indikatoren signalisieren ebenfalls eine Abschwächung der Wirtschaft. Eine wichtige Kennzahl für die breiter gefasste Geldmenge ist seit Erreichen des Höchststandes im März um 1,0% gesunken, weil dem System langsam Liquidität entzogen wird. Außerdem ist die Rendite der 2-jährigen US-Treasuries seit Juli höher als die der 10-jährigen Titel. Eine solche Inversion der Renditekurve garantiert zwar nicht, dass es zu einem wirtschaftlichen Abschwung kommt, doch die derzeitige Inversion zwischen dem 3-monatigen und dem 10-jährigen Bereich ist beunruhigend, geht sie doch häufig einer Kontraktion der Wirtschaft unmittelbar voraus.

Der Arbeitsmarkt sendet zwar noch keine Warnsignale, angesichts der Entschlossenheit der Fed, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, glauben wir aber, dass die Arbeitslosigkeit zwangsläufig steigen wird. Der Lohnanstieg in Waren produzierenden Wirtschaftszweigen schwächt sich bereits ab, was aus den Folgen der extrem hohen Kauftätigkeit während der Pandemie sowie den steigenden Kreditkosten resultieren dürfte, unter denen vor allem hochpreisige Artikel zu leiden haben. Die Lohnentwicklung im Dienstleistungssektor muss sich aber erst noch verlangsamen. Weil die Löhne einen bedeutenden Beitrag zum Dienstleistungssektor leisten, der 80% der US-Wirtschaft ausmacht, bezweifeln wir, dass die Fed ihre Inflationsziele erreichen kann, ohne den Aufwärtsdruck auf die Löhne zu senken, durch den die Stundenlöhne im Jahr 2022 im Durchschnitt um 5,0% zum Vorjahr gestiegen sind.

Gewinne: eine Prise Wahrheit

Es mag unbequem sein, sich dies einzugestehen, jedoch sollten die Anleger trotz der Verluste der US- und globalen Aktienindizes von rund 20% im Jahr 2022 kurz- bis mittelfristig auf mehr Volatilität gefasst sein. Die Frage ist, was die Aktienverluste von -20% auf -30% ansteigen lassen könnte? Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die sich meist in schwächeren Gewinnen äußern würden. Der Konsum ist zwar lebhaft, weil die privaten Haushalte ihr Erspartes ausgeben – vor allem dann, wenn die Arbeitnehmer bei einer Abschwächung am Arbeitsmarkt nicht mehr ohne Weiteres höhere Löhne fordern können –, jedoch könnte die US-Wirtschaft den zusätzlichen Schub verlieren, für den dieser wichtige Faktor sorgt. Geringere Ausgaben der privaten Haushalte würden den aktuellen Anstieg der Lagerbestände aber wahrscheinlich verstärken, sodass die Warenhersteller ihre Produktion drosseln dürften. Das war schon in der Vergangenheit zu beobachten, als Versuche, mit der Nachfrage nach einer Rezession Schritt zu halten, zu einem starken Produktionsanstiegen führten, die Zentralbanken aber gerade auf die Bremse traten, um die überhitzte Wirtschaft abzukühlen.

Abbildung 2: KGV 2022 für den S&P 500 Index und Schätzungen zum Gewinn je Aktie

Sinkende KGVs preisen ein Umfeld mit höheren Zinsen und weniger Wachstum schneller ein als die Gewinnschätzungen, und wir sind der Auffassung, dass zusätzliche Abwärtsrisiken für Aktien davon ausgehen dürften, dass die Anleger ihre Gewinnerwartungen für 2022 und 2023 senken müssen.

Aktien-Ausblick 2023 Abbildung 2: KGV 2022 für den S&P 500-Index und Schätzungen zum Gewinn je Aktie

Quelle: Bloomberg, Stand: 10. November 2022.

Viele Volkswirtschaften stehen vor einem lagerbestandsbedingten Abschwung. Schlimmstenfalls könnte dies unseres Erachtens eine leichte Lagerbestandsrezession auslösen. Weil ein Großteil der Wirtschaft noch immer auf einer soliden Basis steht, halten wir es aber für wahrscheinlicher, dass die USA und andere Länder, deren Wirtschaft Widerstandsfähigkeit bewiesen hat, im Jahr 2023 eine mittzyklische Anpassung erleben dürften. Vor allem rechnen wir nicht mit einer schweren Bilanzrezession, weil keine offensichtlichen Quellen für eine systemische Vulnerabilität erkennbar sind.

Es gibt aber durchaus auch Abwärtsrisiken für unseren Ausblick. Das größte davon geht von politischen Fehltritten der Währungshüter aus. Die Fed ist sich bewusst, dass sich die Frühindikatoren bereits verändert haben. Dies dürfte der Grund sein, warum der Markt erwartet, dass das Zinserhöhungstempo bis Mitte 2023 abnehmen dürfte. Sollte es jedoch zu einem angebotsseitigen Schock – zum Beispiel im Bereich Energie oder Lebensmittel – kommen oder die Lohn-Preis-Spirale nur schwer durchbrochen werden können, muss die Fed möglicherweise die Leitzins weiter anheben als auf die rund 5,0%, die der Futures-Markt aktuell vorwegnimmt. Irgendwann würden höhere Zinsen mit ziemlicher Sicherheit für eine leichte Rezession sorgen. Für andere Zentralbanken ist die Lage noch prekärer, weil sie der Gefahr einer Stagflation mit hohen Priesen und einer schrumpfenden Wirtschaft ausgesetzt sind.

Vorsichtig defensiv

Wir glauben zwar, dass Senkungen der Gewinnschätzungen zu weiteren Aktienkursverlusten führen könnten. Unsere Einschätzung, dass eine Rezession nicht unmittelbar bevorsteht, bedeutet jedoch, dass die Anleger risikoreiche Anlagen nicht unbedingt komplett meiden müssten. Wenn die Umsätze und Margen unter Druck geraten, sollten die Anleger unseres Erachtens nach Unternehmen mit stabilen Ertragsströmen und niedriger Verschuldung Ausschau halten. Dies sind die wesentlichen Merkmale des Faktors „Qualität“, der sich in Zeiten einer wirtschaftlichen Schwäche besser entwickeln sollte als der breitere Markt.

Abbildung 3: Renditen vom Höchst- zum Tiefststand nach Aktienfaktoren bei den letzten Rezessionen

Bei den letzten Rezessionen hat „Qualität“ besser abgeschnitten als andere Faktoren.

Ereignis Hoch Tief Substanzwerte Wachstum Qualität Momentum Mindest-
volatilität
Rezession 1990-1991 Juli 1990 März 1991 -3,9% -0,8% 5,0% 0,3% -4,6%
Technologieblase & 9/11 März 2001 Nov. 2001 -7,3% -2,9% 1,6% -9,1% -1,7%
Globale Finanzkrise Dez. 2007 Juni 2009 -38,3% -35,8% -28,2% -44,0% -29,2%
Covid-19-Pandemie Feb. 2020 Apr. 2020 -9,5% 1,5% 1,5% -1,0% -3,4%


Quelle: Bureau of Economic Analysis, Janus Henderson Investors. Renditen vom Höchst- zum Tiefststand, gemessen an faktorbasierten Komponenten des MSCI World Index.

Während Qualität als eigenständiger Faktor gilt, ist das Konzept stetiger Cashflows und solider Bilanzen unseres Erachtens nicht vom Stil oder der Marktkapitalisierung abhängig; entsprechende Unternehmen finden sich im gesamten Aktienuniversum. Unternehmen mit instabilen Fundamentaldaten konnten dies in der Niedrigzinsphase verschleiern, weil sie ihre Anleihen umschulden konnten und renditehungrige Anleger auf dem Markt wahllos kauften. Da die Zentralbanken die Anlagenkurse nicht mehr stützen, ist der Marktzyklus nicht mehr geglättet; Unternehmen, die nicht genügend Cashflows generieren können, um ihr bestehendes Geschäft und künftige Investitionen zu finanzieren, laufen dadurch Gefahr „aufzufliegen“. Obgleich viele Aktien „Qualitätsmerkmale“ besitzen können, ist dieser Wesenszug unserer Ansicht nach naturgemäß mit der Kategorie der Wachstumswerte verbunden. Qualitativ hochwertige Wachstumsunternehmen betrachten normalerweise das organische Wachstum – und mithin die Cashflow-Generierung – als eine Priorität, weil es ihnen ermöglicht, während des gesamten Geschäftszyklus in aussichtsreiche Initiativen zu investieren. Dagegen sind Unternehmen, die zur Finanzierung ihres zukünftigen Wachstums darauf angewiesen sind, Schulden zu machen, in Zeiten steigender Zinsen und eines nachlassenden Wachstums anfällig. Wenig überraschend zählen hoch verschuldete Unternehmen, deren Bewertungen auf weit in der Zukunft anfallenden Cashflows basieren, zu den Schlusslichtern dieses Jahres.

Ein Blick jenseits des Tals

Sich auf Qualitätsunternehmen zu konzentrieren, dürfte eine kluge Taktik sein, bis die künftige Entwicklung der Inflation und der Zinsen deutlicher erkennbar wird. Mittelfristig wird sich den Anlegern jedoch irgendwann die Chance bieten, über die Turbulenzen hinwegzusehen und zu beurteilen, welche Unternehmen erfolgreich sein dürften, sobald das Tal durchschritten ist. Damit dies geschieht, müssen unserer Ansicht nach zunächst bereinigende Ereignisse eintreten. Dafür kommt vor allem eine Kapitulation der Privatanleger infrage, die in den letzten beiden Jahren eine wichtige Kraft an den Märkten waren. Diese Anleger haben sich in Aktien engagiert, sind überwiegend optimistisch gewesen und dürften die Bärenmarktrallye des Jahres 2022 unterstützt haben. Ihre Begeisterung könnte jedoch bröckeln, falls die Gewinnerwartungen deutlich nach unten korrigiert werden. Genau damit rechnen wir, wie gesagt, in den kommenden Monaten, weil der Markt unserer Ansicht nach die Auswirkungen der höheren Kreditkosten, des Rückgangs der Lagerbestände und – sehr wahrscheinlich – einer steigenden Arbeitslosigkeit erst noch in vollem Umfang einpreisen muss.

Aktiven Anlegern bieten solche bereinigenden Ereignisse die Chance, Unternehmen aufzuspüren, deren sinkende Aktienkurse sich von ihren attraktiven langfristigen Aussichten entkoppelt haben. Weil die Märkte zukunftsorientiert sind, kann es zu einer solchen Entkopplung kommen, lange bevor die Wirtschaft – oder die Gewinne – einen Tiefpunkt erreicht. Wie Abbildung 4 verdeutlicht, neigen die KGVs dazu, von der Abwärtsentwicklung der Gewinne abzuweichen, wenn die Anleger erste Anzeichen einer Erholung erkennen, sobald der Überhang an Lagerbeständen beginnt abzunehmen und die Kreditkonditionen lockerer werden.

Abbildung 4: Monate, bis Forward-KGVs und Gewinne bei den letzten Rezessionen Tiefststände erreichten

Außer bei der Dotcom-Blase, als die hohen Bewertungen erst nach längerer Zeit sanken, erreichten die Forward-KGVs (auf Basis der geschätzten Gewinne) für den S&P 500 gewöhnlich vor den nach unten korrigierten Gewinnen einen Tiefpunkt, als die Anleger begannen, sich für eine Erholung zu positionieren.

Aktien-Ausblick 2023 Abbildung 4: Monate, bis Forward-KGVs und Gewinne bei den letzten Rezessionen Tiefststände erreichten

Quelle: Bloomberg, Janus Henderson Investors, Stand: 10. November 2022. Daten für den S&P 500 Index. Anzahl Monate vom vorherigen Zyklushoch bis zum Tiefststand.

Eine neue Ära für die Märkte

Wir sind zwar relativ optimistisch und glauben, dass es eher zu einer mittzyklischen Anpassung als zu einer Rezession kommen wird, klar ist aber dennoch, dass die Konjunktur abschwächt. Oft wird auf die langen und variablen Verzögerungen hingewiesen, mit denen die Geldpolitik Wirkung zeig; deshalb glauben wir, dass der Abschwung noch mehrere Monate andauern wird. Sobald der Markt einen Tiefpunkt erreicht, sollten die Anleger nach Titeln Ausschau halten, deren Bewertungen bereits auf attraktive Niveaus gesunken sind, die aber immer noch Merkmale wie Qualität und ein langfristig nachhaltiges Wachstum aufweisen. Dies entspricht der Anlagephilosophie, Wachstum zu einem vernünftigen Preis (GARP) zu kaufen. Diese Titel dürften sich unseres Erachtens bei einem Abschwung und in der neuen Ära, die die Anleger wahrscheinlich erwartet, als widerstandsfähiger erweisen.

Diese Ära wird nach unserer Auffassung anders sein als die letzten 15 Jahre. Die inflationsbereinigten oder „realen“ Zinsen werden wahrscheinlich positiv bleiben. Höhere Kapitalkosten bedeuten, dass die Unternehmensführungen bei Investitionsentscheidungen umsichtiger vorgehen müssen. Auch die Anleger müssen sich darauf einstellen und sich auf Unternehmen konzentrieren, die das Potenzial besitzen, ihre Gewinne beständig zu steigern und positive Cashflows zu generieren, statt auf Unternehmen, die nur durch günstige Umschuldung überleben. Die Bewertungen werden ebenfalls mehr zählen; der Markt wird zwar nicht ausschließlich auf „Value“ (Substanz) ausgerichtet, aber „value-bewusster“ sein. Folglich sollten die Anleger das GARP-Konzept vielleicht griffbereit in der Schublade behalten – nicht nur im Jahr 2023, sondern auch danach.

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Daten von Bloomberg, Stand: 11. November 2022.

Rendite 10-jähriger US-Treasuries: der Zinssatz auf US-Staatsanleihen, die in zehn Jahren ab Kaufdatum fällig werden.
Baissemarkt: bezeichnet einen Finanzmarkt, in dem die Wertpapierkurse fallen. Eine allgemein anerkannte Definition ist ein Rückgang eines Index um mindestens 20% über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten. Das Gegenteil wird als Haussemarkt bezeichnet.
Bereinigendes Ereignis: Der Markt wird bereinigt, wenn die Kurse Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringen. Ein bereinigendes Ereignis tritt ein, wenn Angebot und Nachfrage gleich sind. 
Fed oder Federal Reserve: das Zentralbanksystem der Vereinigten Staaten.
Der Index des Institute for Supply Management (ISM) für den Fertigungssektor bzw. der Einkaufsmanagerindex gilt als eine wichtige Kennzahl für den Zustand der US-Wirtschaft. Er misst die Höhe des Auftragseingangs in den US-amerikanischen Produktionsstätten und gibt damit das Niveau der Nachfrage nach Produkten an.
Wachstum zu einem vernünftigen Preis (Growth at a reasonable price, GARP): Anleger halten nach Unternehmen Ausschau, die unterbewertet sind (Value Investing) und ein solides nachhaltiges Wachstumspotenzial besitzen (Growth Investing).
Der MSCI World Index℠ spiegelt die Performance der Aktienmärkte der internationalen Industrieländer wider.

Geldpolitik: Die Politik einer Zentralbank mit dem Ziel, die Inflation und das Wachstum in einer Volkswirtschaft zu beeinflussen. Hierzu zählt die Steuerung der Zinssätze und der Geldmenge. Als geldpolitische Straffung werden Maßnahmen einer Zentralbank bezeichnet, die darauf abzielen, die Inflation einzudämmen und das Wirtschaftswachstum zu verlangsamen, indem die Zinsen erhöht und die Geldmenge verringert werden.  Der Begriff geldpolitische Stimulierung bezieht sich auf die Erhöhung der Geldmenge durch eine Zentralbank und die Senkung der Kreditkosten.
Kennzahl: Eine Messgröße für einen Aspekt der finanziellen Gesundheit eines Unternehmens, die in diesem Fall misst, wie viel die Anleger je US-Dollar Gewinn für eine Aktie zu zahlen bereit sind, ausgedrückt durch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV): Ein häufig verwendeter Quotient für die Bewertung von Aktien im Vergleich zu anderen Aktien oder einem Benchmarkindex. Es wird ermittelt, indem der aktuelle Aktienkurs durch den Gewinn pro Aktie dividiert wird. Das Forward-KGV wird auf Basis des prognostizierten Gewinns je Aktie des Unternehmens auf Sicht der nächsten zwölf Monate berechnet.
Risikoreiche Anlagen oder Risikoanlagen: So werden im Allgemeinen Vermögenswerte bezeichnet, die beträchtlichen Schwankungen unterliegen, zum Beispiel Aktien, Rohstoffe, Hochzinsanleihen, Immobilien und Währungen.
Der S&P 500 Index spiegelt die Wertentwicklung US-amerikanischer Standardaktien wider und repräsentiert die Entwicklung des breiten US-Aktienmarkts.
Stagflation: Eine relativ seltene Situation, in der eine steigende Inflation mit wirtschaftlicher Stagnation einhergeht.
Systemrisiko: bezeichnet das Risiko einer kritischen oder schädlichen Veränderung des Finanzsystems als Ganzes, die alle Märkte und Anlageklassen betreffen würde.
Bewertungskennzahl bezeichnet einen Quotienten, der die Bewertung eines Unternehmens im Verhältnis zu einer bestimmten Finanzkennzahl widerspiegelt. Bewertungskennzahlen und die Verwendung standardisierter Finanzkennzahlen ermöglichen Wertvergleiche zwischen Unternehmen mit unterschiedlichen Merkmalen, vor allem mit unterschiedlicher Größe.

Rendite: Die Höhe der Erträge eines Wertpapiers, in der Regel ausgedrückt als Prozentsatz. Ein gängiges Maß bei Aktien ist die Dividendenrendite, bei der die Dividendenausschüttungen für jede Aktie durch den Aktienkurs dividiert werden. Bei einer Anleihe wird sie berechnet, indem die Kuponzahlung durch den aktuellen Anleihekurs geteilt wird.
Renditekurve: Ein Diagramm, das die Renditen von Anleihen ähnlicher Qualität im Verhältnis zu ihren Laufzeiten darstellt. Bei einer normalen/nach oben geneigten Zinskurve sind die Renditen von Anleihen mit längeren Laufzeiten höher als die Renditen kurzfristiger Anleihen. Eine Zinskurve kann Auskunft über die Erwartungen des Marktes über die wirtschaftliche Richtung eines Landes geben.
Inversion der Renditekurve: Eine Renditekurve kehrt sich um (invertiert), wenn die langfristigen unter die kurzfristigen Zinssätze fallen, was darauf hindeutet, dass die Anleger ihr Geld aus kurzfristigen Anleihen in lang laufende Papiere umschichten.

WICHTIGE INFORMATIONEN

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Die vorstehenden Einschätzungen sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können von denen anderer Personen/Teams bei Janus Henderson Investors abweichen. Die Bezugnahme auf einzelne Wertpapiere, Fonds, Sektoren oder Indizes in diesem Artikel stellt weder ein Angebot oder eine Aufforderung zu deren Erwerb oder Verkauf dar, noch ist sie Teil eines solchen Angebots oder einer solchen Aufforderung.

 

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