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COP27–Zehn wichtige Erkenntnisse für Investoren

Adrienn Sarandi, Leiterin ESG Strategie und Entwicklung, hat die erste Woche der COP27-Klimaverhandlungen in Ägypten vor Ort miterlebt. Sie erläutert die zehn wichtigsten Erkenntnisse und ihre Gedanken zu den Themen, die für die Teilnehmer der Konferenz im Vordergrund standen.

Adrienn Sarandi

Adrienn Sarandi

Director of Fixed Income ESG


28. November 2022
13 Minuten Lesezeit

Zentrale Erkenntnisse:

  • Bei den Klimaverhandlungen wurde immer wieder betont, dass es an echten Fortschritten bei konkreten politischen Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel mangelt. Als bedeutender Durchbruch gilt indessen die Einigung auf einen Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden. Fortschritte gab es außerdem bei der Reform des internationalen Finanzsystems, um die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an seine Folgen zu beschleunigen.
  • Es ist eindeutig eine „Technologiebeschleunigung" im Gange. Unzählige Start-ups, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Spezialisten für Daten und künstliche Intelligenz, Wissenschaftler, Lebensmittel- und Agrarunternehmen und andere Akteure haben innovative Lösungen für die meisten unserer Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit.
  • Netto-Null ist im Wesentlichen eine Frage von Politik Wirtschaft und konkurrierenden nationalen Interessen. Während die Umstellung auf eine CO₂-arme Wirtschaft extrem komplex ist, hat die Energiekrise uns allen deutlich vor Augen geführt, dass es auch um die nationale Sicherheit geht und der Klimawandel weit mehr als ein Umweltproblem ist. Der Klimawandel bedroht unser Leben, unsere Lebensgrundlagen und unsere Ernährung – praktisch alle Bereiche unseres Lebens.

Wie haben Sie die erste Woche der COP27 erlebt? Was war anders als bei der COP26?

Es gab deutliche Unterschiede zur COP26. Auf dem letztjährigen Klimagipfel hatten die Delegierten ihre Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen nach oben geschraubt und ambitionierte Zusagen gemacht, um ihre Bemühungen in den Bereichen Kohle, Methan, Abholzung der Wälder und Anpassung an den Klimawandel zu beschleunigen – auch wenn es an glaubwürdigen Umsetzungsmaßnahmen fehlte. Das war in diesem Jahr anders. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, der steigenden Inflation, der Lebensmittel- und Energieknappheit und der fortschreitenden Deglobalisierung hat eigentlich niemand ernsthaft mit bahnbrechenden Ankündigungen gerechnet.

Von Anfang an war klar, dass sich die COP27 auf technische Fragen und Umsetzungsmaßnahmen konzentrieren wird. Der Start des Klimagipfels verlief allerdings ziemlich holprig und chaotisch. Ehrlich gesagt hatte ich keine großen Erwartungen, dass in der ersten Woche des Gipfels bahnbrechende Vereinbarungen getroffen würden. Was Elan und Optimismus angeht, war die COP27 angesichts des schwierigen wirtschaftlichen und politischen Umfelds tatsächlich in keiner Weise mit COP26 vergleichbar.

Aufschlussreich war indessen, wer anreiste – und wer nicht. Die beiden großen Erdölexportländer Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate waren mit großen, prominenten Teams vertreten. Zudem waren 636 Lobbyisten für fossile Brennstoffe anwesend – 100 mehr als bei der COP26! Führende Politiker aus China, Indien und Russland sowie die großen Banken, die letztes Jahr in Glasgow zu Gast waren, blieben hingegen fern. Mit großem Jubel empfangen wurde der neue brasilianische Präsident Lula da Silva. Er sorgte für Aufsehen mit seinem Versprechen, gegen die illegale Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes vorzugehen – völlig im Gegensatz zu seinem Vorgänger.

Die Delegationen aus Ägypten und den meisten Industrieländern hoben vor allem hervor, dass bei konkreten Maßnahmen zur Förderung der Klimaagenda kaum Fortschritte gemacht werden. Dazu gehören die riesige Lücke bei den erforderlichen grünen Investitionen sowie der erschwerte Zugang zu Kapital und die viel höheren Kapitalkosten in Schwellen- und Entwicklungsländern im Vergleich zu ihren Industrieländern.Meiner Wahrnehmung nach herrschte in der ersten Woche eine Menge Frust bei den Teilnehmern – zugleich aber auch Entschlossenheit, Fortschritte auf den Weg zu bringen.

Wurden bedeutende Fortschritte erzielt?

Auch wenn das globale Umfeld deutlich schwieriger geworden ist und die Klimaagenda durch die jüngsten Ereignisse in den Hintergrund gedrängt wurde, wurden auf der COP27 durchaus Fortschritte erzielt. Wie schon im letzten Jahr zogen sich die Verhandlungen bis in den frühen Sonntagmorgen hin, bis zumindest ein Durchbruch erzielt wurde, nämlich die Einigung auf einen neuen Fonds für Klimaschäden, dessen Ausgestaltung auf der COP28 im November 2023 konkretisiert werden soll. Fortschritte gab es zudem bei der Reform des internationalen Finanzsystems, um Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an dessen Folgen zu beschleunigen.

Während in den Bereichen Anpassung an den Klimawandel und Ausgleich von klimabedingten Schäden Fortschritte erzielt wurden, wurden die Ambitionen zur Eindämmung des Klimawandels kaum verstärkt. Nur ganz wenige Länder haben ihre national festgelegten Beiträge (NDCs) an das 1,5°C-Ziel angepasst: Von knapp 200 haben nur 24 Länder ihre Ziele angehoben – und das auch nur geringfügig. Darüber hinaus fehlte es an Bemühungen, die auf der COP26 eingegangenen Verpflichtungen zur schrittweisen Reduzierung fossiler Brennstoffe und zum Kohleausstieg zu erfüllen. So ist in der Schlusserklärung lediglich die Rede von „emissionsarmen“ Technologien zur Senkung der Emissionen – was die Verwendung von Erdgas für längere Zeit legitimieren könnte. Zugleich betonte der Finanzsektor abermals, dass die Politik geeignete Anreize schaffen und Maßnahmen umsetzen muss, um die Dekarbonisierung durch Umlenkung der Subventionen und eine CO₂-Bepreisung zu unterstützen, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen und Netto-Null noch rechtzeitig zu erreichen.

Netto-Null ist im Wesentlichen eine Frage von Politik Wirtschaft und konkurrierenden nationalen Interessen. Zwar sind wir von Netto-Null noch weit entfernt, doch hat die Energiekrise allen deutlich vor Augen geführt, dass es auch um die nationale Sicherheit geht und der Klimawandel weit mehr als ein Umweltproblem ist. Der Klimawandel bedroht unser Leben, unsere Lebensgrundlagen und unsere Ernährung – praktisch alle Bereiche unseres Lebens.

Ich bin jedoch nun optimistischer, dass die notwendigen klimapolitischen Maßnahmen verstärkt werden, um die Klimaziele mit den wirtschaftlichen Zielen und der nationalen Sicherheit in Einklang zu bringen, was hoffentlich den Aufbau und die Nutzung erneuerbarer Kapazitäten beschleunigen und Investoren in die Lage versetzen wird, mit den richtigen Anreizen Kapital zur Finanzierung des Übergangs bereitzustellen.

Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus den Sitzungen, die Sie in der ersten COP-Woche besucht haben?

Ich bin von der COP27 mit zehn wichtigen Erkenntnissen heimgereist:

  1. Die armen Länder des globalen Südens (Regionen in Lateinamerika, Asien, Afrika und Ozeanien) fordern schon seit fast drei Jahrzehnten von den reicheren Ländern, die den Großteil der Gesamtemissionen in die Atmosphäre verursachen, dass sie für klimabedingten Schäden aufkommen. Die Länder des Globalen Südens sind finanziell nicht in der Lage, sich selbst zu schützen. Daher ist die Einigung auf eine Finanzierung der Klimaschäden wirklich ein historischer Durchbruch in der COP-Geschichte. Denn dieses Thema steht ja schon seit über dreißig Jahren informell auf der Tagesordnung der Klimakonferenz.Zwar wurde der Umfang der Finanzierung noch nicht konkretisiert. Dennoch ist die Schaffung dieses Fonds sicher ein bedeutender Fortschritt.
  2. Ein neues Thema, das viel Aufmerksamkeit auf sich zog, war die Reform der multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs, darunter der IWF und die Weltbank), damit diese mehr zur Klimafinanzierung beitragen können. Damit könnte sichergestellt werden, dass das eingesetzte Kapital eine echte Katalysatorwirkung hat und private Finanzmittel wirksamer mobilisiert werden können. Es könnte potenziell rund eine Billion Dollar freigesetzt werden. Außerdem geht es darum, die Mittel dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden. Die MDBs müssen die Investmentrisiken durch innovative Strukturen verringern, um privates Kapital anzulocken. Aufgrund des immensen Bedarfs an Finanzmitteln, der ohne den Privatsektor nicht gedeckt werden kann, spielte das Thema Mischfinanzierungen auf der COP27 eine wichtige Rolle.
  3. Die Zahl der Netto-Null-Verpflichtungen ist bis 2021 deutlich gestiegen – zugleich aber auch die Emissionen. Wir bewegen uns weiterhin klar in Richtung einer Erderwärmung um 2,4 bis 2,9 °C. Ohne globale Zusammenarbeit und politische Maßnahmen wie die CO₂-Bepreisung, die Umlenkung von Subventionen und die Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Dekarbonisierung dürften wir auf eine Welt zusteuern, in der Klimakatastrophen eher die Regel als die Ausnahme sein werden.
  4. Enttäuschend ist, dass kaum ein Land seine NDC-Ambitionen erhöht hat. Ermutigt haben mich allerdings die Fortschritte im Bereich Methan. Inzwischen haben sich über 150 Länder verpflichtet, ihre Methanemissionen bis zum Ende des Jahrzehnts um mehr als 30 % zu senken.
  5. Da wir bei der Eindämmung des Klimawandels deutlich im Rückstand sind, müssen wir mehr in die Anpassung investieren – und zwar schnell. Es wurde aber auch klar gemacht, dass es nicht entweder um Eindämmung oder um Anpassung geht, sondern dass wir uns in beiden Bereichen bewegen müssen. Wenn wir heute mehr tun, um den Klimawandel einzudämmen, müssen wir morgen weniger tun, um uns daran anzupassen. Ohne die Mitwirkung der Entwicklungsländer bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an die Folgen wird es Netto-Null nicht geben. Und diese Länder benötigen billionenschwere Investitionen, um den Übergang zu schaffen.
  6. Während die Geopolitik auf kurze Sicht bremst, könnte sie mittel- bis langfristig Fortschritte beschleunigen. Denn es wird klar erkannt, dass das Energie-Trilemma (zuverlässige, erschwingliche und nachhaltige Energie) nur gelöst werden kann, wenn saubere Energien in großem Maßstab zur Verfügung stehen. Es war erfreulich zu hören, wie Präsident Biden erklärte: „Russlands brutaler Angriff auf die Ukraine verschärft die Lebensmittelknappheit und treibt die Energiekosten nach oben, was an den Energiemärkten für Volatilität sorgt und die weltweite Inflation in die Höhe treibt. Vor diesem Hintergrund ist es dringender denn je, dass wir unsere Klimaverpflichtungen verdoppeln. Russlands Krieg macht es nur dringender, die Welt von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien“.
  7. Der schwierigste Teil der Lösung der Klimakrise bleibt jedoch die Politik. Wir haben die Technologien, wir haben das Geld und wir haben die Aufmerksamkeit der ganzen Welt – aber immer noch fehlt der politische Wille. In den Gesprächen mit den Teilnehmern wurde deutlich, dass der Klimaschutz zwar in allen Ländern ein wichtiges Wahlthema ist. Dennoch müssen die Wähler wohl mit den Füßen abstimmen.
  8. Netto-Null wird teuer sein, aber all die großartigen sauberen Technologien sowie die unzähligen Start-ups, die ich gesehen habe, haben mich zuversichtlich gestimmt, dass die saubere „Technologiebeschleunigung" den Übergang zu einer CO₂-armen und kreislauforientierten Wirtschaft vorantreiben und beschleunigen wird. Doch wird es nicht die eine Wunderwaffe geben, die uns retten kann. Vielmehr müssen wir alle Lösungen in die Hand nehmen, um die Emissionen in diesem in diesem Jahrzehnt deutlich zu reduzieren.
  9. Ich stimme der Forderung der Internationalen Energieagentur zu, dass der Einsatz fossiler Brennstoffe bis 2030 einen Höhepunkt erreicht, und ich glaube, dass die langfristigen Chancen im Zusammenhang mit den erforderlichen Investitionen, die auf 125 bis 275 Billionen Dollar geschätzt werden, trotz des schwierigen Umfelds weiter intakt sind. Ich glaube, dass sich die Anleger auf die größte Kapitalumschichtung ihres Lebens vorbereiten sollten. Und die COP27 hat mich in dieser Ansicht bestärkt.
  10. Das Thema Ernährungssicherheit war auf dieser COP wichtiger denn je. Das ist nicht verwunderlich, da viele Entwicklungsländer unter Hungersnöten leiden, die direkt auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Außerdem hat der russisch-ukrainische Konflikt die Nahrungsmittelkrise weiter verschärft. Zu den Lösungen gehören die Vermeidung von Lebensmittelabfällen und die Umstellung auf eine zunehmend pflanzenbasierte Ernährung, da dann die verfügbare Menge an Lebensmitteln steigen würde. Technologische Innovationen in den Bereichen alternative Proteine und Indoor-Farming sowie Automatisierung und Robotik könnten die Selbstversorgung von Regionen sicherstellen, die bislang von Lebensmittelimporten abhängig sind. Finanzierungsinstrumente wie Mischfinanzierungen und Hedging-Fazilitäten können dazu beitragen, Investitionen in die Infrastruktur zu erleichtern. Und die Regierungen sind dafür zuständig, gezielte politische Maßnahmen einzuleiten, eine entsprechende Regulierung auf den Weg zu bringen, humanitäre Hilfe zu leisten und nachhaltige Investitionen in die globale Landwirtschaft zu fördern.

Was braucht es, um bis 2050 Netto-Null zu erreichen?

Erstens Geld, zweitens Geld und drittens Geld! Die Finanzierung ist beim Kampf gegen den Klimawandel das A und O. Auch wenn wir noch weit davon entfernt sind, Netto-Null rechtzeitig zu erreichen, müssen wir die Finanzmittel für die Anpassung aufstocken, um Schäden, die bereits entstehen, beispielsweise infolge von extremen Wetterereignissen, Nahrungsmittel- und Wasserknappheit oder Landverlust, aber auch die Folgen anderer Katastrophen, die auf uns zukommen werden, zu bewältigen und sicherzustellen, dass wir jenen Menschen helfen, die am meisten gefährdet sind. Das wird teuer werden. Doch je länger wir warten, desto teurer wird es.

Wie können wir also die Kapitalströme so lenken, dass wir trotz wachsender Bevölkerung und trotz rückläufigen BIP-Wachstums ehrgeizige Klimaziele erreichen können – und das in einer wachstumsorientierten, immer dichter bevölkerten und zunehmend polarisierten Welt mit konkurrierenden politischen und wirtschaftlichen Zielen? Willkommen also bei der „150-Billionen-Dollar-Challenge“, um Netto-Null zu erreichen!1

Die Mobilisierung der Klimafinanzierung war schon immer herausfordernd. Der öffentliche Sektor, insbesondere Regierungen und Institutionen für Entwicklungsfinanzierung, spielen dabei eine zentrale Rolle. Doch bislang ist es ihnen nicht gelungen, dafür zu sorgen, dass die Privatwirtschaft in größerem Umfang Kapital bereitstellt. John Kerry, der US-Sondergesandte für Klimafragen, betonte in seiner Rede am dritten Tag: „Es gibt keine Regierung, die genug Geld hätte, um den Übergang zu finanzieren. Die Privatwirtschaft muss mit ins Boot“. Und er hat natürlich Recht. Letztlich ist es der private Sektor, der den Großteil der billionenschweren Investitionen aufbringen muss, die jedes Jahr erforderlich sind, wenn wir bis 2050 in einer Netto-Null-Welt leben wollen. Allerdings fehlt es immer noch an politischen Maßnahmen, die private Investitionen fördern und freisetzen.

Die Unternehmen, ob klein oder groß, waren auf dem Gipfel in Sharm el-Sheikh stark vertreten. Tatsächlich waren so viele Unternehmen da wie nie zuvor. Allerdings war die Trennung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor vor Ort symptomatisch dafür, dass wir uns eigentlich immer im Kreis drehen: Der öffentliche Sektor fordert die Privatwirtschaft auf, Kapital bereitzustellen, und andersherum fordert die Privatwirtschaft die Regierungen auf, die richtigen politischen Maßnahmen zu ergreifen und Anreize zu schaffen.

Wenn die Regierungen schnell Finanzmittel mobilisieren wollen, müssen sie Subventionen auf grüne Energien umlenken, effiziente CO₂-Märkte entwickeln (sowohl durch verpflichtende als auch freiwillige Maßnahmen) und die entsprechenden Regeln und Mechanismen auf den Weg bringen. Ohne die richtigen Anreize werden wir kaum in der Lage sein, schnell genug aus fossilen Brennstoffen auszusteigen. Solange es sich wirtschaftlich nicht lohnt, die Emissionen zu senken, wird dies auch nicht geschehen. Das bedeutet nicht, sofort auf alle fossilen Brennstoffe zu verzichten und das Licht auszuschalten. Dennoch müssen die Regierungen den Übergang zu erneuerbaren Energien vorantreiben und die Mechanismen einer CO₂-Bepreisung für die Klimawende arbeiten lassen.

Die großen Fragen der Klimakonferenz drehten sich darum, wie man Kapital der institutionellen Anleger in Bereichen mobilisieren kann, vor denen Pensionsfonds und Versicherungen aufgrund bestehender Risiken bislang zurückschrecken. Dabei sollte das ganze verfügbare Instrumentarium in Bewegung gesetzt werden: Mischfinanzierungen, mehr Anleihen mit grünem Label, neue Anpassungsanleihen, Eigenkapital- und Schuldenfinanzierungen, Philanthropie- und Family-Office-Investitionen.

Es wurde ausführlich darüber diskutiert, warum viele Vermögensverwalter⏎nur zögerlich in den Entwicklungsländern investieren, beispielsweise in⏎Projekte für saubere Infrastrukturen. Für viele Pensionsfonds stellen unter anderem die Themen Liquidität, Ticketgröße, Kreditrisiko, Transparenz oder Datenverfügbarkeit Hürden dar. Allerdings argumentierten die afrikanischen Teilnehmer, dass die wahrgenommenen Risiken nicht die Realität der Projekte in ihren Ländern widerspiegeln. Institute für Misch- und Entwicklungsfinanzierungen könnten eine Rolle dabei spielen, die Anlagerisiken zu verringern, um private Investitionen in den Entwicklungsländern zu erleichtern. Zugleich nutzen grüne Banken innovative Finanzierungsinstrumente, um den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen.

Welche Entwicklungen werden Ihrer Meinung nach den Ausschlag für die Zukunft geben?

In sämtlichen Sitzungen wurde viel über das Thema Daten diskutiert. Viele Investoren betonten, dass die Verfügbarkeit von Daten immer noch ein Problem darstellt, das Fortschritte behindert. Ich habe jedoch einige großartige Datenanbieter getroffen, die interessante Lösungen für Biodiversitäts- und alternative Daten bereitstellen, sowie Unternehmen, die Instrumente zur Messung der Glaubwürdigkeit und des Fortschritts von Unternehmen bei der Umstellung auf Netto-Null-Verfahren bieten. Viele Start-ups nutzen Blockchain, und viele Initiativen konzentrieren sich auf die Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferketten. Je schneller wir Fortschritte in Sachen Verfügbarkeit und Tiefe der Datensätze machen, desto besser werden wir die Investitionen und ihre Auswirkungen verstehen.

Da es an politischen Maßnahmen und echten Fortschritten bei den Netto-Null-Verpflichtungen der Unternehmen mangelt, ist es natürlich verführerisch, den Kopf einfach in den Sand zu stecken. Dennoch bin ich sehr viel optimistischer von der Konferenz nach Hause gefahren. Ich habe so viele Start-ups, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Daten- und Künstliche-Intelligenz-Spezialisten, Ratingagenturen und Investoren getroffen, die innovative Lösungen für die meisten unserer Nachhaltigkeitsprobleme aufzeigen. Es hat mich tief beeindruckt, wie viele kleinere Unternehmen es gibt, die Innovationen vorantreiben. Nun geht es darum, Möglichkeiten finden, diese Start-ups zu finanzieren.

Aber auch größere, etablierte Unternehmen machen beeindruckende Fortschritte. Im Juni 2022 haben sich mehr als ein Drittel der größten Börsenunternehmen weltweit Netto-Null-Ziele gesetzt - deutlich mehr als in den letzten beiden Jahren. 2 Auch wenn diese Ziele weitgehend noch nicht den Mindeststandards für die Berichterstattung entsprechen, ist klar, wohin die Reise geht. Unternehmen, die beim Klimaschutz hinterherhinken oder, schlimmer noch, Greenwashing betreiben, stehen bei den Investoren, in den Medien und in der Öffentlichkeit zunehmend in der Kritik. Heute kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, unbewiesene Behauptungen über seine Emissionen aufstellen. Sie müssen belegen, wie sie ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie an die wachsenden Klimarisiken anpassen.

Als Investoren müssen wir diejenigen Unternehmen finanzieren, die beim Klimaschutz eine Führungsrolle einnehmen, da sie (bei sonst gleichen Bedingungen) besser in der Lage sein werden, systemische Klimarisiken zu bewältigen.

Welches waren für sie persönlich die Highlights der COP27?

Für mich persönlich gab es drei Highlights:

  • Zu Beginn der Investment-COP kam ein Rapper auf die Bühne mit einem Rap-Song zum Thema Klima. Er hat den Saal im Sturm erobert und energetisiert.
  • Am Wochenende nahm ich in der Küstenstadt Dahab an einem faszinierenden Vortrag eines Meeresbiologen über die Gesundheit der Meere teil, gefolgt von einem Säuberungstauchgang.
  • Ich traf auch zahlreiche junge Menschen mit unglaublichen Ideen, die in den Bereichen saubere Technologien, Lebensmittel und Landwirtschaft, Freiwillige CO2-Kompensationen, Blockchain und Schutz der biologischen Vielfalt finanziert werden müssen. Es hat mich sehr bewegt, mit welcher Leidenschaft und welchem Engagement diese innovativen Leute für den Klimaschutz kämpfen, damit die Welt für unsere und für die nachfolgenden Generationen lebenswert bleibt.

Zusammen mit meiner Kollegin Kimberley Pavier, Nachhaltigkeitsanalystin im Global Technology Leaders-Team auf der COP27. Bildnachweis: Janus Henderson Investors.

1 The $150 trillion bet against net-zero is losing | Feature | GRC World Forums.

2 Net Zero Stocktake 2022 | Net Zero Tracker.

 

Bei Investments nach den Kriterien „Umwelt, Soziales und Unternehmensführung“ (ESG) oder nachhaltigen Investments werden Faktoren jenseits der traditionellen Finanzanalyse berücksichtigt. Das kann das Anlageuniversum einschränken und dazu führen, dass Performance und Risiken sich von denen am Gesamtmarkt unterscheiden und möglicherweise stärker auf bestimmte Bereiche konzentriert sind.

Anpassung bezieht sich auf Maßnahmen, die es Ländern und vulnerablen Gemeinschaften ermöglichen, sich an den Klimawandel anzupassen.

Mischfinanzierung ist der strategische Einsatz von Entwicklungsfinanzierungen zur Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel für die nachhaltige Entwicklung in Entwicklungsländern.

CO₂-Bepreisung ist ein Instrument, das die externen Kosten von Treibhausgasemissionen erfasst -  die Kosten von Emissionen, für die die Allgemeinheit aufkommt, z. B. Ernteschäden, Gesundheitskosten aufgrund von Hitzewellen und Dürreperioden sowie Eigentumsverluste aufgrund von Überschwemmungen und des Anstiegs des Meeresspiegels - und sie durch einen Preis, in der Regel in Form eines Preises für das emittierte Kohlendioxid (CO₂), an ihre Quellen bindet.

Kreditrisiko bezeichnet die Möglichkeit, dass ein Kreditnehmer einen Kredit nicht zurückzahlt oder seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, was zu einem Verlust für den Kreditgeber führt.

BIP (Bruttoinlandsprodukt) bezeichnet den Wert aller in einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum (üblicherweise in einem Quartal oder Jahr) erstellten Güter und Dienstleistungen. Die Veränderung des BIP gegenüber einem vorangegangenen Zeitraum wird in der Regel in Prozent ausgedrückt und dient als allgemeine Kennzahl der gesamtwirtschaftlichen Aktivität eines Landes.

Greenwashing beschreibt die Handlung oder Praxis, Produkte, Aktivitäten oder Politik umweltfreundlicher erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind.

Klimaschäden werden entweder als wirtschaftlich oder als nichtwirtschaftlich eingestuft. Wirtschaftliche Schäden sind negative Auswirkungen, denen ein monetärer Wert zugeordnet werden kann, z. B. die Kosten für den Wiederaufbau von Infrastrukturen, die durch eine Überschwemmung beschädigt wurden, oder Einkommensverluste aufgrund von durch Dürre vernichteten Ernten. Nicht-wirtschaftliche Schäden sind negative Auswirkungen, die sich kaum in Geldwert ausdrücken lassen, z. B. der Verlust der biologischen Vielfalt.

Eindämmung bezieht sich auf Bemühungen zur Verringerung oder Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen.

National festgelegte Beiträge (NDCs) bezeichnen Ziele der einzelnen Länder für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die den Klimawandel verursachen, und für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. In den Plänen wird festgelegt, wie die Ziele erreicht werden sollen, und es werden Systeme zur Überwachung und Überprüfung der Fortschritte ausgearbeitet, damit sie auf Kurs bleiben.

Netto-Null bezieht sich darauf, dass die Produktion von Treibhausgasen durch das Entfernen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre ausgeglichen wird.

Ticketgröße ist der Betrag, der in ein Unternehmen investiert wird - oder potenziell investiert werden kann.

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